Unterwegs zu Cecilia | Erster Teil

valentino

Illustration: Valentino

Narcisa und ich waren eine Station zu früh aus dem Bus ausgestiegen. Es war auch keine Station in dem Sinne, dass es dort eine Haltestelle mit Schild und Wartehäuschen gegeben hätte. Stattdessen hatte der Bus vor einem Wohnhaus am Straßenrand gehalten. Eine flache Steinmauer umgab einen Hof, auf dem im Wind Wäsche trocknete. Die vorbeifahrenden Fahrzeuge wirbelten Staub auf.

Am Nachmittag erreichten wir die Basilika. Sie lag in einem Labyrinth aus verwinkelten, kopfsteingepflasterten Gassen in Trastevere, am Ufer des Tiber. Wir gelangten durch das Tor des Eingangsgebäudes auf den Innenhof. Vor uns ragte der Kampanile in den leicht bewölkten blauen Himmel. Wasser plätscherte aus einem Springbrunnen in ein Becken mit einer großen Henkelvase. Wir schritten durch den Portikus unter dem Architrav und betraten den kühlen Innenraum.

Im Nachhinein tauchen die Bilder in meinem Bewusstsein auf: Raffaels Dame mit Einhorn in der Galleria Borghese auf dem Pincio und die Transfiguration, wie sie Wackenroder in seinen Herzensergießungen beschrieben hatte, oder Leonardos unfertiger Hieronymus in den Vatikanischen Museen. Doch keines dieser Kunstwerke sollte die vollkommene Schönheit des Werkes erreichen, das ich vor einer scheinbaren Ewigkeit in jenem lange vergessenen Sommer in der Basilika erblickte.

(c) valentino 2020

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geheimschrift des iohanan vom aufstieg aus dem dunkelen reich ins licht | sechzehnter gesang | 429 bis 432

belmonte

sechzehnter gesang

429 in vollmondnächten feen magischer tanz
um wald in finstarnessen lichtener rande
da steht das ein-horn und schaut aus meinen augen
auf glitzern feenlicht unter sternenglanz

430 ist eine juncfrau dort zur stunde umbanden
von fledertier schwirrt auf nachtraub blut zu saugen
rette sie vor löwenmaul nächster gefahr
und leg deinen kopf in îrer schosz und handen

431 lust ist die prüfung sælic daran zu glauben
aus gold wird die längste nacht die jemals war
führt nur verlaufener weg ins dasein ganz
zum einhorn hin aller sinnen zu berauben

432 der ruf es dort zu erkennen ruht es da
im juncfrau schoß von feenschimmer umkranzt
nach langem schlaf bistu endlich aufgewacht
um zu sehen was aus meinen augen sah

(c) belmonte 2018

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Die Künstlerkolonie Tromm | 2

belmonte

hörst du die kobolde kichern auf der tromm

hörst du die kobolde kichern
auf der tromm / Foto: Giovanni Belmonte

nass ist es auf der tromm und tief hängen die wolken unter dem sonst so hohen himmel
es ist kühl
aber der frühling bricht schon durch
das dunkle grün der hecken und nadelbäume atmet frische luft
ein teerweg biegt von der hochstraße ab
wer möchte schon auf der karte schauen
wohin er führt
durch die kahlen äste ist ein haus zu erkennen
die weiße wolkendecke blendet
hierher kommen die waldgnome und kobolde
die durch die pfützen hüpfen
hör nur hin
dann kannst du ihr kichern hören
lauf durch den angrenzenden wald und sieh dich vor
sonst sitzt dir ein schrat im nacken
unter dem granit aber haben die trolle ihre höhlen gehauen
vor zeiten wurden auf der tromm auch einhörner gesehen
und habe ich kein reines herz
selber nach ihnen zu suchen
finge ich nur an zu graben
welche kristalle fände ich in diesem boden
milch ist der himmel und matschig der weg und die mooswiese
es fängt wieder an zu nieseln
und selbst den erdgeistern wird es jetzt zu ungemütlich
hierher kommen die künstler bei jedem wetter
um auf dieser höhe ihr traumland zu finden

(c) belmonte 2014

Das Einhorn

einhorn

einhorn

einhorn / Foto: Belmonte

(c) belmonte 2012 in nächten vollmond feen magischer tanz | um wald in dunkler tief an lichtener rande | da steht das ein-horn und schaut aus gottes augen | auf glitzern feenlicht unter sternenglanz | ist eine jungfrau dort zur stunde umbanden | nachtraub fledertier umschwirrt îr blut zu saugen | rette sie vor löwenmäulern nächster gefahr | leg deinen kopf in îrer schoß und handen | lust ist die prüfung sælic daran zu glauben | aus golden wurde hier nacht die einmal war | führt nur verlaufener weg ins dasein ganz | zum einhorn hin aller sinnen zu berauben | der ruf es dort zu sehen ruhte es da | im schoß der jungfrau feenschimmer umkranzt | hättst nicht geschlafen wärst du nur aufgestanden | hättst sehen was aus den augen gottes sah