Unterwegs im Lande des Vlad Țepeș | Dritter Teil

valentino

Herrscher al Țării

Illustration: Valentino

Die Straße war breit, aber schlecht asphaltiert. Links passierten wir eine alte, verrottete Fabrikanlage. Putz blätterte von der Fassade, trübes Licht schien durch zerbrochenes Fensterglas. In der Ferne rauchten die Schlote der Stadt. Dort angekommen begegneten wir zum ersten Mal dem legendären Vlad Țepeș, alias Graf Dracula, in seiner vertraut leblosen Gestalt: Die Statue vor dem Museum im Park von Oradea zeigte sein verewigtes, zweieinhalb bis drei Meter hohes Abbild aus Stein.

Die Bronzetafel auf dem Sockel besagte in rumänischer Sprache, die mein Begleiter mit Hilfe des Wörterbuchs entschlüsselte: „Vlad Țepeș (Vlad, der Pfähler) – Herrscher al Țării, Rumäne aus den Bergen (1448; 1456-1462; 1476). Ein flinker Mann, der durch eine Vielzahl an eigenen Erfahrungen die Notwendigkeit einer schlagkräftigen Armee erkannte. Michael Bociognoli.“ Was immer dieses heißen mochte, es warf nicht mehr positives Licht auf die geheimnisvolle Figur, als wir zuvor schon gehört hatten. Der Fürst hatte im 15. Jahrhundert die osmanischen Heere aus dem Land vertrieben, die gefangenen Türken auf grausame Weise gepfählt, genauer gesagt „von unten nach oben aufgespießt“ und zur Abschreckung an den Wegen aufgestellt, wo diejenigen, die diese Qualen vorerst überlebten, spätestens nach wenigen Tagen elendig krepierten.

Nachdem wir die Stadt verlassen hatten, erfuhren wir nach einigen Kilometern am eigenen Leib, was es heißt, auf einer Straße im Lande des ehemaligen Conducators, des Führers, den wir von nun an „den Alten“ nannten, zu fahren. Die Sparmaßnahmen, die Ceaușescu zur Tilgung der Staatsschulden seit den 1960er Jahren eingeführt hatte, wirkten sich auch auf den Straßenbau aus. Durchgerüttelt und -geschüttelt holperten wir auf Kopfsteinpflaster von Ort zu Ort.

(c) valentino 2012

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