Ausbeutung und Aufbegehren – B. Travens Roman “Trozas” (Rezension)

valentino

B. Traven Trozas

B. Traven Trozas

Die Siedlung „La Armonia“ ist ein verlorenes Nest an einem Fluss tief im südmexikanischen Urwald. Ein unwirtlicher Ort, an dem keiner freiwillig verweilt und der zu keinem anderen Zweck errichtet wurde, als den Holzhunger der reichen Länder zu stillen. Der Name des Ortes ist parodistisches Programm: Die Harmonie im Leben der Bewohner ist trügerisch – sie sind gegenüber der eigenen Seichtheit ebenso gleichgültig wie gegenüber dem Schicksal der indianischen Arbeiter. Diese decken sich, frisch eingetroffen, zu überhöhten Preisen im Laden der Firma mit dem Nötigsten für den Aufenthalt in den Lagern außerhalb des Hauptquartiers ein und lassen dafür anschreiben. Verwalter und Angestellte führen Buch, ein Unternehmer mokiert sich über einen betrunkenen Aufseher und alle versuchen, angesichts des immer gleichen Tagesablaufes den Anschein eines tüchtigen Verwalters, Angestellten oder Unternehmers Aufrecht zu erhalten.

Das beschauliche Urwaldleben findet ein jähes Ende, als eines Tages die berüchtigten Brüder Montellano, die in Wirklichkeit keine blutsverwandten Brüder sind, der Firma den Holzfällerbetrieb abkaufen. Sowohl die Unternehmer, Verwalter und Angestellten als auch die chinesischen Köche lehnen ab, für die Brüder zu arbeiten, weil sie bereits von dem skrupellosen Verhalten gehört haben, das diese beim Wirtschaften in anderen Betrieben an den Tag gelegt haben, und suchen deshalb das Weite. Nur die Handwerker, Knechte und Arbeiter bleiben, weil sie ihre im Laufe der Zeit angehäuften Schulden abzuarbeiten gezwungen sind.

Nach Abreise der Karawane organisieren die Brüder den Betrieb nach ihren Vorstellungen um. Sie ersetzen die alten Aufseher durch sechs eigens mitgebrachte, ihnen folgsame. Don Severo, der älteste der Brüder, teilt diesen jeweils einen Distrikt zu, über den sie als Verwalter mit uneingeschränkter Gewalt richten sollen. Die Brüder teilen die Arbeit so ein, dass ein größtmöglicher Ertrag an Caoba, dem geschlagenen Mahagoniholz des Waldes erzielt wird, was die brutale Ausbeutung der indianischen Arbeiter zur Folge hat.

„Aber solche Milderungen, wie sie von Companien und Contratistas oft angewandt wurden, und meist ohne ernsten Nachteil für das Geschäft, konnten freilich in den Plänen der Montellanos keine Berücksichtigung finden. Es hat noch selten jemand Millionen verdienen können, der zuviel Rücksichten auf die Arbeiter nahm; und noch nie hat sich ein Diktator in seiner Macht behaupten können, der in seinen ihm unterworfenen Subjekten etwas anderes sah als gehorsame uniformierte Holzklötze.“ (142)

Etwa ab der zweiten Hälfte wendet sich die Erzählung hin zu dem kaum zehnjährigen Vicente, der von dem älteren Andres angelernt werden soll, Ochsen anzutreiben, die „Trozas“, Stämme geschlagener Caoba im Urwald zu trockenen Gräben schleppen, wo sie angehäuft und in der Regenzeit zum Fluss abgeschwemmt werden, und schildert diese qualvolle Tätigkeit aus der Sichtweise des naiv-kindlichen Vicente. Hin und wieder streicht ein mysteriöser Sänger im Wald umher und kündigt das bevorstehende Aufbegehren der Unterdrückten gegen ihre Herrscher allegorisch an, indem er verhöhnende Lieder über letztere singt.

Obschon Travens Sprache weitestgehend prosaisch ist und sich der Roman stellenweise eher mitteilend liest, so zieht doch sein nüchterner, parodistischer Stil den Leser in seinen Bann. Einerseits durchdringt Traven den komplexen Mikrokosmos des Holzfällerbetriebes im Urwald, andererseits stellt er den Zusammenhang her, der zwischen der harten Lebenswirklichkeit des Caoba-Schlägers und der Nachfrage an Mahagoniholz in den Industrienationen der Welt besteht – ein Missverhältnis, das sich damals wie heute vergleichbar auch auf andere Zweige der Industrie übertragen lässt und nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat.

(c) valentino 2013

B. Traven: Trozas, Diogenes Verlag 1983, 268 S.

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