Unterwegs im Lande des Vlad Țepeș | Zehnter Teil

valentino

Lichtung

Illustration: Valentino

Über dem Gras auf der Lichtung hingen Nebelschwaden, die sich alsbald aufgelöst hatten. Wolken türmten sich auf. An manchen Stellen brach durch die Wolkendecke das rote Licht der Abendsonne und blendete Cecilia. Sie saß auf einer Steinbank unter dem Dach der Rotunde, das sie vor einem lang anhaltenden Regenguss geschützt hatte. Unter den Arkaden hatten Steinmetze vor langer Zeit Gesichter an den Kapitellen und Figuren an einigen Säulen eingemeißelt, die Cecilia auf dem nun brüchigen und mit Spinnweben behangenen Sandstein betrachtete.

Die Dunkelheit brach herein. Beidseitig bauten sich Wände aus Laub auf. Dazwischen lief Cecilia in die eine, nach einer jähen Biegung in die andere Richtung, wählte diese, mal jene Abzweigung und drang tiefer in den Irrgarten vor. Sie glaubte, als sie eine Weile einem stärker werdenden Geruch nach Schwefel folgte, sie gelangte an einen Ort im Labyrinth, an dem sie zuvor nicht gewesen war. An dieser Stelle ergoss sich heißes Wasser von einem Felsen in ein dampfendes Becken, aus dem sich über einen schmalen Kanal der Schlossteich speiste. Dicht über der Wasseroberfläche leuchtete ein kleines, sich im trüben Gewässer spiegelndes Licht.

Cecilia stieg die Stufen einer Treppe hinab und betrat einen gewölbten Gang. In seiner lehmigen Wand befanden sich hier und da Nischen. Es muss tief in der Nacht gewesen sein, als sie nach einem langen Irrgang in dem haushohen Gewölbe eintraf. In der Mitte des Raumes zuckte in einer erdigen Mulde ein etwa menschengroßer, weißer Leib unter einer spinnwebartigen, zähen Hülle. Cecilia lief ein Schauer über den Rücken und sie rannte erschrocken aus dem Bogenraum zurück in das Geflecht aus Gängen.

(c) valentino 2012

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