Unterwegs zu Cecilia | 15. Teil

valentino

Illustration: Valentino

Vor dem Eingang des Pantheons bot mir eine alte Frau Devotionalien an, Bildchen der Märtyrerin Cecilia. Weil sie sich weigerte, ihrem Glauben abzuschwören, so erzählte die Händlerin, habe man Cecilia zum Tod durch Ersticken mit heißen Dämpfen verurteilt. Nachdem sie einen Tag und eine Nacht dieses Martyrium überlebt habe, habe das Gesetz für sie die Strafe der Flucht vorgesehen.

Die Verurteilte habe vor dem Wurf eines Speers, um sich selbst zu retten, in kurzer Zeit ein Stück rennen und über eine Mauer klettern sollen, was ihr trotz der knapp bemessenen Zeit um ein Haar geglückt sei. Doch anstatt sie frei zu lassen, habe man sie wieder gefangen und der Henker habe versucht, sie zu enthaupten, was nach drei Schlägen nicht gelungen sei. Am Hals verletzt habe Cecilia noch einen weiteren Tag und eine weitere Nacht gelebt und sei nach ihrem Tod im Pantheon beigesetzt worden.

Es liegt die Vermutung nahe, Cecilia könne Wunder vollbringen, weshalb diejenigen, die an die Legende glauben, zum Pantheon pilgern. Nachdem mir die alte Frau ein Bildchen und eine Kerze verkauft und ich das Pantheon betreten hatte, stellte ich das Bildchen auf Cecilias Grabstein, platzierte die Kerze davor und zündete sie an.

(c) valentino 2022

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Unterwegs zu Cecilia | 13. Teil

valentino

Illustration: Valentino

Im Traum spazierte ich über die Coahuila. Ich blieb stehen. Ich träumte, dort auf der Straße das Mädchen gesehen zu haben, von dem ich rückblickend glaube, es könnte dasselbe Mädchen sein, dem ich später im Rome’s begegnet bin und über das ich erfuhr, es hieße Helena. Es könnte ihr aber auch zum Verwechseln ähnlich gesehen haben. Sie lief ein bisschen zu weit weg, um sicher zu sein.

Als ich aufwachte, war es noch tiefe Nacht. Prompt schlief ich wieder ein. Kurz darauf weckte mich ein Geräusch. Ich wollte aufstehen und nachsehen, doch mir fielen die Augen zu. Im Halbschlaf bevor ich wieder eingeschlafen war dachte ich, Juan habe den Tisch verrückt. Ich träumte, Juan säße mir gegenüber und mischte Karten. Er legte die Karten mit der Vorderseite nach oben auf den Tisch.

Cecilia hätte einen Teelöffel gefunden und würde mit der Löffelschale den Putz von der spröden Mauer kratzen. Während sie sich mit der einen Hand abstützte, umklammerte ihre andere Hand den Griff. Mit dem Handrücken wischte sie sich den Schweiß von der Stirn. Mörtel bröckelte auf den Boden.

(c) valentino 2022

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Unterwegs zu Cecilia | Zehnter Teil

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Illustration: Valentino

Nach meiner Rückkehr ins Hotelzimmer nahm ich Seife und Handtuch. Ich betrat den Flur und passierte die Türen der anderen Zimmer. Die Dusche befand sich am Ende des Flurs. Beim Öffnen der Tür stieg mir eine Wolke Wasserdampf entgegen. Im Raum befanden sich hinter weiteren Türen mehrere Duschen.

Nachdem ich vergeblich versucht hatte, Geld bei den Banken in der Stadt abzuheben, wollte ich am nächsten Morgen über die Grenze, um es bei einer Bank in San Diego zu versuchen. Ich hatte im Restaurant Rome’s unten an der Ecke anschreiben lassen. An den Wänden des Speiseraums hingen viele Bilder mit Straßenszenen. Ein Bild zeigte den Besitzer des Restaurants, zugleich der Hotelier des Montebello, in der Küche. Ich hatte dem Kellner versprochen, am nächsten Abend wiederzukommen, um die Rechnung zu bezahlen.

Ein Geräusch weckte mich in der Nacht. Ich stieg die Treppe hinab, um nachzusehen. Im Foyer saß, mir den Rücken zugewandt, der Hotelier. Die Lampe auf dem Tisch warf ihr mattes Licht auf seine Hände, die rhythmisch einen Stapel Karten mischten. Nachdem ich die Treppe wieder hinaufgestiegen und in mein Zimmer zurückgegangen war, legte ich mich wieder ins Bett und schlief prompt ein.

(c) valentino 2021

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Unterwegs zu Cecilia | Fünfter Teil

valentino

Illustration: Valentino

Beim Aufwachen hatte ich das Zeitgefühl verloren. Ich blickte durchs Fenster des Comedors. Der Regen hatte aufgehört, als das milchige Mondlicht durch die Wolken brach. Noch immer war ich allein im Raum. Narcisa war nicht gekommen. Aus der Küche hörte ich Geräusche vom Schneiden und Zubereiten von Speisen. Eine leise Musik spielte im Radio.

Ich wusste nicht mehr, ob ich alles wirklich erlebt hatte oder ob ich bloß träumte und einer Illusion hinterherlaufen würde. Was war aus Sandy und den Mendozas geworden? Ich hatte Narcisa seit unserem letzten Zusammentreffen vor einem Jahr in Todos Santos nicht mehr gesehen. Hatte ich den weiten Weg auf mich genommen und einen halben Tag im Bus verbracht, um an diesem Abend alleine zu bleiben?

Essengerüche drangen aus der Küche. Nach dem Fest hatte sich eine seltsame Stille über das Bergdorf gelegt. Ich stellte mir vor, wie die Leute nach dem Regen nach Hause gegangen wären. Nebel stiege über den Berghängen auf. Am Hang gegenüber lägen im Mondlicht über dem Tal die Terrassen von K’atepan, der verlassenen Tempelanlage der Maya. Ich hing meinen Gedanken nach, als sich behutsam knarrend die Tür öffnete und aus der Nacht Narcisa in den Comedor Coyoteca eintrat.

(c) valentino 2020

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Unterwegs zu Cecilia | Vierter Teil

valentino

Illustration: Valentino

Die Fahrt von der Hauptstadt an die Nordgrenze dauerte zwei Tage und Nächte. In der ersten Nacht hielt der Bus an einem Militärposten. Ein Soldat weckte mich und forderte mich zum Aussteigen auf, indem er mir den Kolben seines Gewehrs in die Seite stieß. Er wies mir mit dem Licht seiner Taschenlampe den Weg durch die Dunkelheit bis in eine Halle, in der in einer beleuchteten Ecke mehre Soldaten um einem Tisch herum standen.

Auf dem Tisch lagen mein geöffneter Rucksack und verstreut dessen Inhalt. Die Soldaten hatten verdächtige Gegenstände in einem Beutel gefunden. Ich erklärte ihnen, es handele sich um mein Schweizer Taschenmesser und Hygieneartikel, woraufhin sie alles wieder einpackten. Auf dem Rückweg verlangte der Soldat für das Tragen meines Rucksacks eine Mordida, das in Mexiko übliche Schmiergeld.

Am nächsten Tag fuhr der Bus durch die Sonora-Wüste. Saguaros, die für diese Landschaft typischen baumartigen Kakteen, standen bis zum Horizont im Sand. Nachdem der Bus noch einmal angehalten hatte, stieg ein Soldat ein und überprüfte die Papiere der Fahrgäste. Als sich der Bus daraufhin wieder in Bewegung setzte, suchten wir aufgrund eines bei der Inspektion entdeckten Reifendefekts eine Werkstatt mitten in der Wüste auf.

(c) valentino 2020

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Pakal – Auf den Spuren eines Blutherrschers | 20. Teil

valentino

Urwaldfluss

Illustration: Valentino

Ein Fischer auf seinem Pferd ritt mir am Seeufer entgegen. Er sagte, der Weg nach Norden sei unpassierbar, und lud mich zu sich nach Hause ein. Im Haus schenkte seine Frau mir Saft in einen Becher ein und gab mir frisches Wasser mit auf den Weg. Ich bedankte mich und fuhr zurück bis zu einer Kreuzung und von dort auf einem schnurgeraden Feldweg durch Petén. Fortan traf ich kaum noch Menschen, die mir Auskunft über die Strecke geben konnten. Einige sprachen von einem Wasserbecken.

Hitze, Stechfliegen und wuchernde Pflanzen erschwerten mein Fortkommen. Irgendwann erreichte ich das Wasserbecken, von dem mir berichtet worden war. Nachdem ich mein Fahrrad über eine Brücke aus Baumstämmen geschoben hatte, knickte der Weg ab und führte immer tiefer in einen Wald bis an ein Flussufer. Dunst hing über der Wasseroberfläche, auf der Wasserflöhe im Licht der untergehenden Sonne tanzten. Ich hängte meine Hängematte zwischen die Bäume, zündete ein paar Kerzen an und wartete auf die hereinbrechende Nacht.

Es raschelte und platschte, ein Waldtier schrie, Zikaden trommelten. Glühwürmchen leuchteten in der Dunkelheit. Der Mond schien von einem sternenklaren Himmel durch die Baumkronen. Aus der Ferne hörte ich das Bellen eines Hundes. Frühmorgens weckten mich Stimmen. Zwei Kekchí, Angehörige einer weiteren Maya-Ethnie, näherten sich mit ihrem Kanu und nahmen mich mit. Wir schifften eine Weile flussabwärts bis zu einer Biegung. Als sich in der Morgendämmerung der Fluss mit einem zweiten vereinigte, fuhren wir diesen ein Stück hinauf. Ein Steg ragte ins Wasser. Am Ufer tauchte im Nebel etwa ein Dutzend Schilfdächer auf.

(c) valentino 2018

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Pakal – Auf den Spuren eines Blutherrschers | 15. Teil

valentino

Illustration: Valentino

Pakal hatte sich in letzter Zeit kaum noch blicken lassen und krank in die Gemächer seines Palasts zurückgezogen. Lediglich seine Schergen beaufsichtigten noch die Arbeit in den Steinbrüchen und die Bauarbeiten am Palast. Die neuen Gebäude waren fast fertig. Die Aufseher sorgten mit harten Strafen dafür, dass täglich genügend Steine auf die Baustelle gebracht wurden. Die Arbeiter planten wegen ihrer Ausbeutung bereits einen Aufstand. Die gesamte Gesellschaft war jedoch in einer Art Schockstarre aufgrund des herannahenden Kometen.

Inzwischen glich der Komet einem riesigen Feuerball, obwohl er erst vor kurzem gesichtet worden war. Bis zum Einschlag würde es nicht mehr lange dauern. Cecilia stieg die Stufen des Tempels hinauf und ergriff das Opfermesser aus schwarzem Obsidian in Form eines Lebensbaums, das der Priester auf der Plattform neben der Opferblutschale liegen gelassen hatte. Sie stieg die Stufen wieder hinab und lief in den Palast. Dort lag Pakal bleich und regungslos auf seinem Krankenbett. Kurz darauf legte sich ein kaltes schweres Eisen auf seine Brust.

Narcisa stand vom Stuhl auf und verabschiedete sich. Nun waren auch die älteren Kinder eingeschlafen. Paulina brachte sie zu Bett. Ich fragte Narcisa, ob wir uns nicht von irgendwo her kennen würden. Es kam mir so vor, als wären wir uns schon einmal auf einer früheren Reise begegnet. Leider konnte ich es nicht mehr herausfinden, denn sie ging fort mit der Begründung, es sei schon sehr spät und sie müsse jetzt nach Hause. Daraufhin trat sie durch die Tür in die Nacht.

(c) valentino 2018

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Pakal – Auf den Spuren eines Blutherrschers | Zwölfter Teil

valentino

Illustration: Valentino

Pakal beobachtete den aufgehenden Morgenstern von seinem Palast aus. Er fragte sich, wie oft er ihn noch sehen würde, wie viele Opfer er dem Federschlange-Gott noch darbringen müsse. Er war der legitime Herrscher über sein Volk. In einem einzigartigen Ritual hatte er sich eine Dornenschnur durch die Zunge gezogen: Das Blut tränkte Papierstreifen in einem Korb. Der Priester hatte anschließend das Papier zusammen mit Kopalharz verbrannt. Nachdem die Götter den aufsteigenden Rauch eingeatmet hatten, wurde Pakals Urahn aus der Unterwelt aus dem Rachen der Federschlange heraufbeschworen.

Wie sollte Pakal über die erlittene Schmach hinwegkommen, als man seinen Sohn, den Thronfolger, entführt und geopfert hatte? Er blickte von der Plattform des Palasts hinüber zu den beiden Pinien am anderen Ende des Platzes. Dort stand der Holzpfahl, an den er die Frau hatte fesseln lassen. Er hatte sie auf seinem letzten Raubzug zusammen mit sechs Adligen gefangen genommen. Kurz darauf hatte der Jaguarpriester ihm das Bohnenorakel gelegt, das ihm den nahen Tod durch Krankheit verhieß. Der Herrscher stieg die Treppe hinab. Die ersten Strahlen der aufgehenden Morgensonne schienen am Horizont über die Baumwipfel.

Narcisa rückte mit ihrem Stuhl näher an den Holztisch. Sie hatte beim Erzählen das Essen vergessen. Es lag noch auf dem Teller. Die Nacht war hereingebrochen. Die Kälte kroch von draußen durch die Türritzen ins Adobe-Haus. Emiliana saß in einer Ecke des Hauses und briet Tortillas auf der Steinplatte über dem Holzofen. Paulina hatte gerade Eladio zu Bett gebracht, als die älteren Kinder unbedingt noch weiter zuhören wollten. Narcisa wickelte einen noch warmen Tamal aus den Maisblättern und zerteilte ihn.

(c) valentino 2017

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Pakal – Auf den Spuren eines Blutherrschers | Elfter Teil

valentino

Illustration: Valentino

Ein lauer Wind fachte ein Feuer an, das in einer sternenklaren Nacht auf einem zentralen Platz brannte. Der Mond warf ein fahles Licht auf Cecilia. Sie hockte neben dem Feuer auf dem Boden. Ihre Arme waren hinter ihrem Rücken an einen Holzpfahl gebunden. Grillen zirpten. Es roch nach verbrannter Holzkohle. Cecilias Handgelenke rieben sich am spröden Seil wund, mit dem sie gefesselt war. Sie beobachtete die züngelnden Flammen und sprühenden Funken.

Sie erinnerte sich an den Tag, an dem sie als Kind mit ihrer Familie von zu Hause geflohen war. Eine riesige Aschewolke stieg aus dem Krater des Vulkans hinter den Bergen auf. Zwischen den Berghängen lag im Ascheregen das Dorf, in dem Cecilia aufgewachsen war. Im Durcheinander der Flucht hatte sie ihre Eltern und Geschwister verloren. Die Hitze brannte auf ihrer Haut. Barfuß lief sie entlang eines baumbestandenen schroffen Berghangs über aschebedeckte felsige Wege ins Tal. Auf einmal glitt sie auf dem Fels aus, stürzte und spürte einen stechenden Schmerz im rechten Knöchel. Blut floss über ihren Fuß und vermischte sich mit Erde.

Auf der anderen Seite des Platzes stiegen die Stufen einer Steintreppe steil zum Himmel hinauf. Über dem oberen Absatz überragte auf einer Plattform ein Dachkamm das Kraggewölbe. Darunter befand sich ein Durchlass in der Mauer des Tempelgebäudes. Cecilia spürte einen Windstoß. Das Seil schnitt in ihre Handgelenke. Sie bewegte ihre Hände und klammen Finger. Dann lehnte sie ihren Hinterkopf an den Pfahl und las den aufsteigenden Rauch.

(c) valentino 2017

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Pakal – Auf den Spuren eines Blutherrschers | Achter Teil

valentino

Illustration: Valentino

Illustration: Valentino

Abends aß ich in der Familie. Inzwischen waren die Gasteltern Emiliana und Santiago mit ihren Kindern eingetroffen. Emiliana und Paulina backten Tortillas. Dazu gab es Reis, Eier und Tamales, mit Bohnen oder Huhn gefüllte, in Maisblätter gewickelte und gekochte Maisklöße. Antonio, der älteste Sohn der Familie und Paulinas Mann, arbeitete derweil in Seattle und schickte der Familie Geld, das vor allem in den nebenan stehenden Rohbau aus Beton gesteckt wurde. Nach Fertigstellung des Hauses sollten dort Paulina und Antonio mit ihrem Sohn Eladio wohnen.

Nachdem die indigene Dorfbevölkerung in den frühen 80er Jahren zunächst aufgrund von Landversprechen mit der Guerilla sympathisiert hatte, ging das Militär repressiv und gewaltsam gegen sie vor: Es vertrieb sie oder tötete sie oder zwang sie in Milizen. Viele kehrten erst nach Jahren des Exils aus Mexiko zurück ins Dorf. Die Gewalt hatte einen tiefen Einschnitt in der Gesellschaft hinterlassen. Nachdem vormals in der Cofradía, einer traditionellen religiösen Bruderschaft, der Besitz von Land die soziale Stellung ihrer Mitglieder begründet hatte, öffnete sich nun die Gesellschaft der globalisierten Marktwirtschaft. In der Folge emigrierten viele Dorfbewohner – anstatt saisonal auf den Plantagen der Pazifikküste Baumwolle zu pflücken oder Zuckerrohr zu schneiden – in die Vereinigten Staaten, um dort zu arbeiten und so ihre Familien zu unterstützen.

Ich saß im Adobe-Haus inmitten der Mendozas, als Narcisa eintrat und sich zu uns an den Tisch setzte. Auch sie hatte die Gewalt im Dorf miterlebt. Nun erzählte sie mir, bevor ich mich unter die Decken auf meine Pritsche schlafen legte, von einem weiteren tragischen Ereignis, das sich vor einiger Zeit bei den Mendozas ereignet hatte: Cecilia, Antonios Schwester, verschwand auf dem Heimweg vom Kaffeefeld. Kurz darauf, als mir schon fast die Augen zufielen, hörte Emiliana die Flöhe husten und bereitete mir das Lager für die Nacht.

(c) valentino 2016

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Pakal – Auf den Spuren eines Blutherrschers | Dritter Teil

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Iximché

Illustration: Valentino

Im Tageslicht wirkte die Stadt trotz des regen Verkehrs weniger hektisch als am Vorabend. Mit dem Fahrrad erreichte ich über einige Steigungen Antigua, die einstige Landeshauptstadt, die ein Erdbeben 1773 fast vollständig zerstört hatte. Der beschauliche Ort mit Kirchenruinen und dem farbenfrohen Markt lag am Fuß des „Volcán de Agua“. Aufgrund des milden Klimas beschloss ich zu bleiben und bezog ein Zimmer in der Herberge „La Quinta“.

Auf Antiguas Busbahnhof rangierten tags darauf bunt bemalte, klapprige Busse, über deren Frontscheiben in farbigen Lettern Zielorte wie „Panajachel“ oder „Río Dulce“ standen. Ich blickte zurück über die Alameda de Santa Lucía und konnte den Vulkan am anderen Ende der Straße sehen. Mein Weg führte durch Dörfer mit Hütten am Straßenrand, die einen Kontrast zu Antiguas Kolonialbauten bildeten. Nach einem Anstieg passierte ich eine umzäunte Halde, auf der Müll brannte und zwischen aufsteigendem Rauch Hunde streunten und Geier herumlungerten. Hinter Chimaltenango ging es durch bewaldetes Vorgebirge.

Nachmittags kehrte ich in Tecpán in einem Hotel ein. Vorbei an Kohl- und Maisfeldern fuhr ich zu der Maya-Kultstätte Iximché. Eine runde Steinplattform auf einem Platz diente einst als Opferaltar: Priesterfürsten schnitten dort mit Obsidianklingen ihren Gefangenen die Herzen heraus. Zurück im Hotel duschte ich und ging mit etwas Fieber früh zu Bett. Mitten in der Nacht wachte ich schweißgebadet auf. Am Vorabend hatte ich mein Fahrrad am Tresen der Rezeption stehen gelassen. Ich lief die Treppe hinunter, um nachzusehen. Als ich im Untergeschoss ankam, leuchtete mir der Hotelier mit seiner Taschenlampe entgegen. Mein Rad stand noch an derselben Stelle. Nach kurzem Wortwechsel ging ich wieder auf mein Zimmer.

(c) valentino 2016

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ORTE KRIEGEN NASSE FÜSSE | TEIL 14 VON 24

valentino

Taxis Otay, Zona Centro, Tijuana

Taxis Otay, Zona Centro, Tijuana / Foto: Valentino

DIE IDEE WAR MAQUILADORAS AN DER GRENZE DASS WIR ALLE IN EINER GRUPPE GEHEN MÖGLICHKEIT ZU GEBEN AN DER GRENZE MACHEN WEIL WIR EINE LANGE ZEIT ZU VEREINIGTEN STAATEN ZU ÜBERQUEREN SPAZIERTE FÜR NAJA ETWA ZWANZIG AMERIKANISCHER INVESTITION DURCH DIE HINEIN SCHON MIT DEN VEREINIGTEN ERÖFFNUNG DER MAQUILADORA-INDUSTRIE AN WURDE GESAGT DASS WIR UNS VORWÄRTS ALLE MIGRANTEN DIE AN DIE GRENZE KAMEN PERSONEN MIT UNS UND EINE GING DER MIGRANTEN HERAUS DASS ES EIN JOBANGEBOT DIE UNS BEFAHL STEHEN ZU BLEIBEN ZU ALLE MIGRANTEN DIE AN DIE GRENZE KAMEN DIE PERSON DIE VOR UNS GING ZEIGTE FALLS SIE DIE GRENZE ZU DEN VEREINIGTEN UNS NICHT ERLAUBT ZU SPRECHEN EINIGE DIEJENIGEN DIE IN MAQUILADORAS DANN STIEGST DU ÜBER STACHELDRAHT HINWEG HERAUS WAREN ÜBERWIEGEND FRAUEN GELÄNDE DER NAVY PASSIERTEN DAS MIT SCHUTZWALL UM ZU VERHINDERN DASS BEACH ES IST EIN KLEINER FLUGHAFEN VEREINIGTEN STAATEN ÜBERQUERTEN ABER EINER SEITE VORBEI GEHEN UND KOMMST DANN NACH TIJUANA KAMEN WIE ICH SAGTE KAMEN RAUS DORT HATTEN SIE SCHON EIN AUTO DES ANREIZES DER DIE NÄHE ZUM LOSZUFAHREN DIE DU MITGENOMMEN HATTEST WEIL KALIFORNIEN ALLE TRANSPORTMITTEL KAMST BEIM AUTO AN ÖFFNETEST DEN GELANGEN SIEH MAL WENN MAN AUF DIE DIE LEUTE IN DEN KOFFERRAUM SCHNELL DIE GRENZLINIE ERREICHEN UNTER BÄUMEN SCHNELL GEHEN GRUNDSÄTZLICH SIND DIE GERÖLL SO DASS DICH DIE VOM GRENZSCHUTZ OBWOHL ES IN DER VERGANGENHEIT AUCH NACHT ABWARTEN DEN MOMENT ABWARTEN MEXIKANISCHE MIGRANTEN DIE IN DEN DORT SEIN NICHT AUF DEM WEG IHN SUCHTEN ETWAS ÜBER DAS NICHT VIEL GEREDET DER WEG SAUBER IST DANN FÜHRTE EINE DER DIE MEHRHEIT DER MEXIKANER GINGEN AUS VON TIJUANA DIE WEGE WAREN SEHR ENG EBEN AUCH EINE MINDERHEIT DIE AUS WENN DU AN EINIGEN STELLEN VERSTECKT GUTACHTER VOR KALIFORNISCHEN UND TEXANISCHEN EINE KATZE KÖNNTE MAN SAGEN AN ANDEREN UM POLITISCHES ASYL GEBETEN HABEN ICH AUF DEN BODEN WERFEN EGAL OB ES FÄLLE DERZEIT IST ABER TATSÄCHLICH IST SIE SEHR GEHEN ALLE PUNKTE DES WEGES BEOBACHTEN DIESE ART DER MIGRATION DAS HEISST ES DES GRENZSCHUTZES GEBEN WÜRDE NUN DIE MEISTEN AUS WIRTSCHAFTLICHEN GRÜNDEN LINIE ERREICHTEN WIR HABEN DORT WO UNS

(c) valentino 2015

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ORTE KRIEGEN NASSE FÜSSE | TEIL 2 VON 24

valentino

Colonia Postal, Parte Alta, Tijuana

Colonia Postal, Parte Alta, Tijuana / Foto: Valentino

ICH BEGANN ALS KOJOTE ZU ARBEITEN ETWA IN DIE VEREINIGTEN STAATEN ZU REISEN HEISSEN VERMITTLER SIE BEZAHLEN DIR EINEN AN EINEM MITTWOCH HIER AN ICH ERINNERE JEDE PERSON DIE DU ZUM KOJOTEN BRINGST ALS WIR ANGEKOMMEN WAREN TRAFEN WIR WAREN AUF DIE ANDERE SEITE ZU GEHEN GELDBETRAG MITNEHMEN WOLLTE ER FREUND GESAGT UND MICH GELEHRT UND ER BEHIELT UNS DORT BIS FREITAG ALSO ODER ZU FÜHREN DANN TRAF ICH EINEN MANN NÄCHSTEN TAG IN DER NACHT AUF DER CHEF HALT ER WIES UNS AN HATTE EIN ZU PASSIEREN ES WURDE EIN SEHR WEITER MONATE BIS SIE BEGANNEN MICH ALS ACHT STUNDEN WIR WAREN VIERZEHN NEHMEN MICH ZU LEHREN DANN ZEIGTE ES GING BERGAUF UND BERGAB BIS WIR VERSEHENTLICH NAHM ICH EIN HUHN UND ANDEREN SEITE WO EIN KLEINBUS GEPARKT BEGANN DAS ERSTE MAL WOLLTE MICH MEIN DIE UNS MITGENOMMEN HATTEN GING ZU VON DORT ER SAGTE MIR ICH SOLLE EINFACH SUCHEN ALS ER SIE GEFUNDEN HATTE ÖFFNETE ICH KEIN ENGLISCH SPRECHE UND ER FING UND MACHTE DAS ZEICHEN DAMIT WIR KONNTE ICH NICHT DANN BEMERKTE MAN ANDEREN EIN UND ALS WIR ALLE DRIN ANGETAN SIE NAHMEN BLOSS SEINE FINGER EINER BLIEB BEI UNS NACHDEM SIE UNS IM UND SIE NAHMEN DAS AUTO WEG MEHR WARTETEN WIR DREISSIG VIERZIG MINUTEN BIS IN DIE VEREINIGTEN STAATEN EINREISEN ZU SYMBOLISCHSTE UND BEDEUTENDSTE ORT MICH DANN GING ICH NACH FLORIDA WO PLAYAS LAS PALMAS NUN VERSCHIEDENE UND DAS ALLES IST VIEL VIEL SCHWERER DIESE ORTE WURDEN VERSTELLT WEIL DIE MORGENS UM FÜNF UND SECHS UHR WENN ODER BEINAHE-VERSCHLUSS DIESER ORTE KRIEGEN NASSE FÜSSE SIE RENNEN STELL EINWANDERUNG IN DIE BERGE UND WÜSTEN LEUTE SICHER GIBT ES VIELE MENSCHEN DASS DIE MIGRANTEN NICHT MEHR KOMMEN SITUATION LEUTE MIT DREISSIG ODER FÜNF MIT GRÖSSEREN SCHWIERIGKEITEN KREUZEN ARTHRITIS IN DER TAT MEIN BRUDER WEGEN KONTINUIERLICH KREUZEN SIE DAS HAT NICHT ZU FÜNF UHR LÄUFST DU NASS HERUM STEHST GEFÜHRT SIE ERREICHEN WEITER DIE GRENZE

(c) valentino 2014

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Unterwegs im Lande des Vlad Țepeș | Vierter Teil

valentino

Cioban

Illustration: Valentino

Unsere Route führte durch eine Gegend, deren Orte aus einfachen Bauernhäusern bestanden, die sich beidseitig entlang der befestigten Hauptstraße aneinander reihten. Rechtwinklig stachen schlammige Wege aus den Dorfkernen heraus. In einem Ort liefen am Straßenrand Kinder, welche zu einer Gruppe von Wanderarbeitern gehörten. Diese lebten vom Kesselflicken, Löffelschnitzen und anderen Tagelohnarbeiten, und bewegten sich mit einem Pferdeplanwagen durch das Land.

Die Alimentara, die Lebensmittelgeschäfte, boten außer Brot, Brause, Schokolade und Erdnüssen kaum etwas an. Die Menschen versorgten sich, aufgrund ihrer bäuerlichen Lebensweise, fast vollständig selbst. Etwa die Hälfte der 20 Millionen Einwohner Rumäniens lebte auf dem Land und war auf Tierhaltung und das Bewirtschaften von Agrarflächen angewiesen. Auf den Hinterhöfen der Leute herrschte reges Treiben der Hunde, Katzen, Truthähne, Gänse und Hühner. Ochsenkarren und Pferdewagen befuhren die Straßen. Wir fühlten uns fünfzig Jahre in die Vergangenheit versetzt.

In der Dunkelheit tauchte der Vollmond die Felder in milchiges Licht. Ein Cioban, ein Schäfer, jagte eine Schafherde über die Hügel. Wir grüßten und fragten mit unseren wenigen Brocken Rumänisch, ob es möglich wäre, auf dem Weideland der Schafe unser Zelt aufzustellen. Der Schäfer machte eine Geste mit den Händen, die den nächtlichen, starken Wind auf dem Feld andeuten sollte. Er zeigte uns einen Platz, der geschützt hinter einer kleinen Anhöhe lag. Dann trat er aus dem Mondschein und verschwand im Dunkel der Nacht.

(c) valentino 2012

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geheimschrift des iohanan vom aufstieg aus dem dunkelen reich ins licht | zweiter gesang | 45 bis 48

belmonte

zweiter gesang

45 dort konntest du schon früher die kälte spüren
als deine mutter dich noch hinauf getragen
und du îre milch getrunken hast und aller
deiner brüder glanz und deines vaters zier

46 wurdest und schön gekleidet an hohen tagen
als die strâlen der himmel auf dich gefallen
sind in dem licht warst du selbst der hellste schein
wer wusste da schon welcher weg dich zu schaden

47 führte wer konnte die dunkelheit die bald
die berge bedeckte sehen wann die reine
luft aufgesogen wurde von den verschlungenen
gipfeln wo einst der wind das gras auf den kalten

48 ebenen niedergedrückt da ist jetzt keiner
mehr nur füchse wenn die nacht herab gesunken
und es noch kälter wird auf den unbewohnten
hängen peitscht der schnee über die nackten steine

(c) belmonte 2012

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Rauschen III

valentino

Illustration: Valentino

Draußen vor Ralphs Fenster fegte ein Regenschauer unter träge lastenden, grauen Wolkentürmen hinweg über das Meer, auf dessen Oberfläche warme Tropfen prasselten.

Ralph träumte.

Ein Jeep hätte an einer Station gehalten, der einzigen weit und breit. Ein Pärchen käme aus einem kleinen Laden. Die Frau trüge ein Bündel.

Eine auf der Rückbank des Wagens sitzende Frau würde zum Fahrer sagen, Denisa hätte geträumt, die Straße wäre im Wasser geendet. Es wäre Sommer gewesen. Wir wären durch den Wald gefahren, der sich gelichtet und den Blick über das Ufer auf das Wasser freigegeben hätte. Dann wäre das Meer überall um uns herum gewesen und eine milde Brise hätte geweht. Wir wären das Ufer des Dammes hinabgestiegen und durch das Wasser gewatet, das uns bis zu den Knöcheln gestanden hätte.

Der Fahrer, ein Mitte-Dreißiger, würde die schlanke Frau beobachten, als sie neben dem Mann gerade auf Höhe der Zapfsäule ging. Das Bündel, sie trüge es wie ihr Baby. Nackte Arme umsäumten die ärmellose Bluse.

Das Pärchen stiege in den Jeep. Der Mann nähme auf dem Beifahrersitz Platz, Denisa mit dem Bündel hinten neben der anderen Frau. Kurz darauf würde sich das Fahrzeug in Bewegung setzen. Die Sonne stünde tief, würde auf und ab hüpfen, rot glühend im inneren Rückspiegel des Jeeps, als dieser über die buckelige, schlammige Piste raste.

(c) valentino 2012

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Link zum vierten Teil „Rauschen“