Unterwegs zu Cecilia | Elfter Teil

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Illustration: Valentino

Wasserdampf drang aus einem Rohr, das in eine Wand des Verlieses eingelassen war, und nebelte das Verlies ein. Cecilia hockte mit gesenktem Kopf und verschränkten Armen vor den Knien auf dem Boden. Sie hob ihren Ellenbogen und steckte das Gesicht in die Armbeuge. Es war stickig und dunkel. Der heiße Dampf brannte in ihrer Kehle. Sie hustete.

Cecilia stemmte sich gegen die Müdigkeit. Sie hob den Kopf, stand auf, drehte sich um und stellte sich ihr Spiegelbild vor. Es wäre konturlos und würde mit dem Raum hinter ihrem Rücken verschmelzen. In diesem Moment wäre sie wie gelähmt. Sie stellte sich vor, wie sich der Nebel rot leuchtend ausdehnen würde bis in alle Winkel des Raums, in dem die Zeit stillstände. Sie wäre gefangen in einer endlosen Schleife.

Raue Steinwände begrenzten das fensterlose Zimmer. Von der Decke fiel ein warmer Regen auf Cecilia. Ihre Tunika hatte sich mit Wasser vollgesogen, das Leinen heftete sich an ihre Haut. Sie hockte sich wieder hin. Der Dampf bildete Wolken mit sich ständig verändernden Mustern, in denen sie las. Einige Male erkannte sie Figuren in ihnen, andere Male Gesichter.

(c) valentino 2021

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Unterwegs zu Cecilia | Fünfter Teil

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Illustration: Valentino

Beim Aufwachen hatte ich das Zeitgefühl verloren. Ich blickte durchs Fenster des Comedors. Der Regen hatte aufgehört, als das milchige Mondlicht durch die Wolken brach. Noch immer war ich allein im Raum. Narcisa war nicht gekommen. Aus der Küche hörte ich Geräusche vom Schneiden und Zubereiten von Speisen. Eine leise Musik spielte im Radio.

Ich wusste nicht mehr, ob ich alles wirklich erlebt hatte oder ob ich bloß träumte und einer Illusion hinterherlaufen würde. Was war aus Sandy und den Mendozas geworden? Ich hatte Narcisa seit unserem letzten Zusammentreffen vor einem Jahr in Todos Santos nicht mehr gesehen. Hatte ich den weiten Weg auf mich genommen und einen halben Tag im Bus verbracht, um an diesem Abend alleine zu bleiben?

Essengerüche drangen aus der Küche. Nach dem Fest hatte sich eine seltsame Stille über das Bergdorf gelegt. Ich stellte mir vor, wie die Leute nach dem Regen nach Hause gegangen wären. Nebel stiege über den Berghängen auf. Am Hang gegenüber lägen im Mondlicht über dem Tal die Terrassen von K’atepan, der verlassenen Tempelanlage der Maya. Ich hing meinen Gedanken nach, als sich behutsam knarrend die Tür öffnete und aus der Nacht Narcisa in den Comedor Coyoteca eintrat.

(c) valentino 2020

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Unterwegs zu Cecilia | Dritter Teil

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Illustration: Valentino

Damals fand gerade das jährliche Stadtfest in San Mateo statt. Ich erreichte das abgelegene Bergdorf um halb fünf Uhr nachmittags. Der Bus war um zehn Uhr morgens von Huehue abgefahren und hatte dann San Juan Ixcoy um ein Uhr mittags, Soloma um zwei und Santa Eulalia um drei Uhr nachmittags passiert. Viele Chuj, Angehörige der im Dorf lebenden Indigenen, feierten trotz des Regens auf der Straße.

Langsam brach die Dunkelheit über die Häuser herein, die sich im spärlichen Licht der untergehenden Sonne sanft an die wolkenverhangenen Hänge des Höhenzugs schmiegten. Ich hatte mir in einem höhergelegenen Bergtal ein Zimmer im Hotel San Pablo genommen und meine Sachen dort gelassen. Daraufhin war ich in den Comedor Coyoteca gegangen und hatte den Besitzer nach Narcisa gefragt. Er hatte mir gesagt, sie würde später eintreffen. Auf einem Tisch vor dem Fenster lag weißer kugelrunder Käse. Der Regen prasselte an die Scheibe.

Spät abends spielten Musiker die Marimba. Tänzer in Stierkostümen tanzten den Baile de los Toritos, den Stiertanz, auf dem Platz gegenüber der Kirche. Sie feuerten Feuerwerkskörper ab, die an ihren Kostümen befestigt waren und die kreisend Flammen schlugen oder ziellos durch die Luft flogen. Die dicht gedrängt stehenden Zuschauer waren ständig auf der Hut vor Blindgängern und wichen vor ihnen aus, wobei sie sich gegenseitig schubsten oder rempelten.

(c) valentino 2020

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Pakal – Auf den Spuren eines Blutherrschers | 19. Teil

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Verlorene Lagune

Illustration: Valentino

Nachdem ich die Fähre von Puerto Barrios nach Livingston genommen hatte, charterte ich im Hafen ein Boot über den Río Dulce nach El Relleno. Mit dem Fahrrad erreichte ich am nächsten Morgen Toquelá, wo ich Tortillas, Frijoles und Spiegeleier frühstückte und mich mit schwarzem Kaffee wachhielt. Die Sonne ging rasch auf. Kurz hinter der Grenzstation Modesto Méndez gabelte sich der Weg. Ich nahm die asphaltierte Straße Richtung Flores, an deren Rändern ein Großteil des tropischen Waldes abgeholzt war.

Mittags rastete ich in San Luís. Ein Schild wies bald darauf auf das Ende des Asphalts hin. Fortan ging es auf einer staubigen Piste durch eine öde, fast menschenleere Landschaft. Kurz vor Canchacán überraschte mich ein Platzregen. Im Ort regnete es noch einmal, weshalb ich mich in einem Laden unterstellte. Als der Regen aufgehört hatte, fuhr ich mit dem Fahrrad über einige Steigungen und einer Abzweigung folgend bis zur Finca Ixobel. Tags darauf ging es mit dem Fahrrad bei Hitze und Staub über Poptún nach Flores – die letzten Kilometer auf der Ladefläche eines Pick-ups.

Unterwegs nach El Naranjo kam ich von der geplanten Route ab und gelangte an einen See, aus dem kahle Baumgerippe ragten. Feiner Sandstaub bedeckte die Blätter der Pflanzen am Wegesrand. Irgendwo hinter Sacpuy traf ich einen Mann auf einem Fahrrad. Er sagte, dass ich nicht auf dem Weg zur Finca San Joaquin sei, sondern nach Ojo de Agua. Allerdings würde ich auf diesem Weg Paso Caballos erreichen, von wo ich ein Boot nach El Naranjo chartern könnte. Also fuhr ich mit dem Fahrrad weiter und erreichte mittags die verlorene Lagune.

(c) valentino 2018

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Pakal – Auf den Spuren eines Blutherrschers | Siebter Teil

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Illustration: Valentino

Illustration: Valentino

Der Bus rollte über eine vom Regen lehmige schmale Bergstraße. Ein Lastwagen kam aus der Gegenrichtung. Die beiden Fahrzeuge manövrierten dicht nebeneinander und stießen zusammen. Der Außenspiegel des Busses brach ab. Kurz darauf fuhr uns ein anderer Bus entgegen. Für das Ausweichmanöver benötigten die Fahrer eine halbe Stunde. Etwa auf halber Strecke überholten wir auf einer Passstraße den Bus, der in der Früh kurz vor uns in Huehue abgefahren war und eigentlich auch vor uns in Todos Santos ankommen sollte, jedoch aufgrund eines Achsenbruchs am Gebirgspass liegen geblieben war.

In Todos Santos erwartete mich bereits Sandy vom Sprachprojekt. Sandy machte mich mit Narcisa bekannt, einer Freundin der Mendozas. Bei den Mendozas sollte ich wohnen. Narcisa führte mich in einen höher gelegenen Teil des Dorfes. Auf dem Hof der Familie saß Schwiegertochter Paulina am Webrahmen. Ihr dreijähriger Sohn Eladio lief zu ihr. Narcisa stellte mich vor. Paulina begrüßte mich auf Spanisch und führte mich in ein kleines, separates Zimmer, in dem auf einer Pritsche mehrere Wolldecken lagen. Dann zeigte sie mir das aus Adobe, Lehmziegeln, gefertigte Haus der Mendozas. Es gab eine Feuerstelle mit Steinplatte, Eimer und Feuerholz. An den Wänden hingen Töpfe, Tassen und einfache Haushaltsgegenstände.

Das Dorf lag relativ abgeschieden in einer unzugänglichen Bergregion. Ende der 50er Jahre wurde es ans Straßennetz angebunden: Durch den Bau einer Abzweigung von der Hochlandstraße durch den Höhenzug Los Cuchumatánes. Bei meiner Ankunft war ein Teilstück der Passstraße asphaltiert. Die Dorfbewohner bewirtschafteten ihre Felder, die zwischen zahlreichen schmalen Bergtälern lagen. Neben Mais wurden auch Kartoffeln, Brokkoli und Kaffee angebaut. Der alljährliche Zyklus der Landwirtschaft bestimmte den Lebensrhythmus der Dorfbewohner, bis ein Bürgerkrieg Anfang der 80er Jahre Gewalt ins Dorf brachte.

(c) valentino 2016

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Pakal – Auf den Spuren eines Blutherrschers | Vierter Teil

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Kirche in Nahualá

Illustration: Valentino

Es regnete. Felipe aus Chichicastenango nahm mich mittags in seinem Pick-up mit. In Los Encuentros musste er abbiegen und ließ mich deshalb aussteigen. Ich fuhr mit dem Fahrrad weiter durch den stärker werdenden Regen und erreichte völlig durchnässt Nahualá. Im Ort lebten die Quiché, eine von Guatemalas zahlreichen Ethnien – eine andere große Maya-Sprachgruppe waren die Mam. Einige der indigenen Hochlandbewohner sprachen kaum oder gar kein spanisch. Der Regen ließ nach. Ich schob mein Fahrrad an Pfützen vorbei durch Rinnsale und aufsteigenden Nebel.

Kinder umringten mich. In der Nähe des Marktplatzes stellte ich mein Fahrrad gegen eine Hauswand. Der Regen hatte zwar aufgehört, aber die Luft war sehr feucht. Ich fragte einen Mann nach einer Unterkunft. Er deutete auf ein Haus bei der Kirche. Ich klopfte an die Tür. Ein Mädchen öffnete. Als ich nach einem Zimmer für die Nacht fragte, holte es seine Mutter, die mir einen kleinen Raum mit Bett vermietete. Ich zog die nasse Kleidung aus und hängte sie zum Trocknen auf. Die Dusche war kalt, da der Durchlauferhitzer fehlte. Ich fror und fühlte mich krank. In der Nacht bekam ich Fieber.

Am nächsten Morgen verließ ich Nahualá. Das Fieber schwächte mich noch immer. Ich hatte kaum Kraft zum Fahrradfahren. Am Ortsausgang wartete ich an der Hauptstraße zusammen mit einer Gruppe Einheimischer auf den Bus nach Quetzaltenango (kurz: Xela). Irgendwann hielt anstelle des erwarteten Busses ein Lastwagen, auf dessen Ladefläche Männer mit Macheten auf dem Weg zu ihren Milpas, ihren Maisfeldern, und einige Frauen mitfuhren. Der Fahrer lenkte das Fahrzeug auf der Bergstraße nach Xela schnell und geschickt an zahlreichen Schlaglöchern und senkrechten Abgründen vorbei.

(c) valentino 2016

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Unterwegs im Lande des Vlad Țepeș | 17. Teil

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Haus in den Karpaten

Illustration: Valentino

Tief hingen die Wolken in den bewaldeten Vorgebirgen der Karpaten. Bis nach Piatra Fântânele wand sich der Weg stetig bergauf und folgte einem Gebirgsbach durch eine tiefe Schlucht. Obwohl das trübe Wetter uns die Sicht auf die Landschaft verwehrte, hörten wir das Plätschern des Bachs und rochen das Moos auf dem Fels. Ein Feuersalamander kroch über den nassen Asphalt. In Holda trafen wir einen alten Mann, den wir nach einer Berghütte in der Gegend fragten und der uns fünf Kilometer durch den Regen ins Nachbardorf zum Holzhaus der Alesandrus führte, in dem wir unterkamen.

Das junge Paar Mioara und Zeno versorgte sich und ihre beiden Kleinkinder Maria und Toma mit selbstangebautem Gemüse aus dem Garten und mit Hühnereiern aus dem Stall. Auch gab es heißes Wasser zum Duschen und einen Ofen, an dem wir die nassen Sachen trockneten. Wir nahmen ein wohltuendes, mitternächtliches Bad und schliefen unter den warmen Decken rasch ein. Am nächsten Morgen machte Mioara sich Vorwürfe, weil ein Huhn fehlte. Sie hatte am Vorabend vergessen, die Tür zum Hühnerstall zu schließen, durch die in der Nacht ein Fuchs eingedrungen war.

Unsere Route führte entlang des Bettes der Bistrița und über einige Hügel, bis sich der Fluss vor Bicaz zu einem See staute, an dessen Uferhängen wir uns in einer Berghütte einmieteten. Am nächsten Morgen klarte der Himmel auf und wir sahen in der Ferne das Felsmassiv der Karpaten. Weil das Wetter unbeständig war und wir uns nach Wärme sehnten, rückten wir von unserer geplanten Route durch die Berge ab und nahmen Kurs ostwärts, um in dieser Richtung in einigen Tagen das maritime Klima der Region der Donaumündung zu erreichen.

(c) valentino 2013

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Unterwegs im Lande des Vlad Țepeș | Neunter Teil

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Garten

Illustration: Valentino

Cecilia schlenderte in dem weitläufigen Barockgarten. Hohe, gestutzte Hecken umsäumten den großzügig angelegten Teich. Die Wege im Garten waren zahlreich und verzweigten sich zwischen den Hecken und Beeten. Am gegenüberliegenden Ufer stand auf einer Anhöhe ein Pavillon. Im Abendrot blickte Cecilia von dort hinunter auf eine Lichtung des Waldes, der sich vom Fuß des Hügels aus in eine weite Niederung hinein ausdehnte.

Als Kind fing Cecilia mit ihrer Schwester Fabia Fischchen im nahegelegenen Bach, kletterte auf Bäume oder spielte auf Mureșeniis sandigen Wegen mit dem Kreisel, den ihr Vater Marian geschnitzt hatte aus dem Holz des Waldes, der das Dorf bis über die Hügelkuppen hinaus umgab und in der Ferne von den Karpaten überragt wurde. Mit fünf oder sechs Jahren lernte sie Schwimmen im See, in dem alle Kinder des Dorfs badeten. Sie sah ihren Bruder Grigore dort schwimmen und bekam Lust, es ihm nachzutun. Als sie fast unterging dachte sie, es sei noch nicht an der Zeit, im See zu versinken. So schaffte sie es, sich über Wasser zu halten.

Während sie erzählte, zerteilte Narcisa mit der Gabel auf ihrem Teller ein Stück Mămăligă. Mit den Fingerspitzen verrückte sie auf ihrer Nase die Glasovale, über deren Einfassung hinweg sie mit halbwachen Augen sah. Regentropfen prasselten an das kleine Fenster der Wohnstube, in der wir uns auf Anhieb geborgen fühlten. Einige der Tücher und Stoffe bildeten kreisförmig angeordnete rote Rosenblüten und grüne Blätter auf schwarzem Grund ab. Im Nebenzimmer und im Wohnzimmer hingen hinter Glas Kinderfotos. Fabia hatte den Raum kurz verlassen und kehrte nun mit einem Foto zurück, das Cecilia zwischen ihrer Schwester und ihren Brüdern zeigte.

(c) valentino 2012

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Unterwegs im Lande des Vlad Țepeș | Achter Teil

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Iosefina, Grigore und Fabia vor dem Neubau

Illustration: Valentino

Trübes Wetter, nebelverhangene Berge und zusehends kultivierte Dörfer prägten die Landschaft. In Mureșenii Bârgăului, einem kleinen Bergdorf, verhinderte Platzregen unsere Weiterfahrt. Einen Unterstand bot der Rohbau eines Hauses auf der anderen Seite der Straße. Eine Frau rief und winkte zu uns herüber, wir sollten unsere Räder in der Scheune abstellen. Kurz darauf saßen wir in der gemütlichen, trockenen Stube der Javeleas bei einigen Gläsern Țuică. Mutter Iosefina, Vater Marian, Tochter Fabia und die Söhne Grigore und Nicolaie hatten viel Zeit damit verbracht, die Zimmer mit selbstgestickten Tischdecken, gewebten Teppichen und handgefertigten Vorhängen zu schmücken.

Auf der anderen Seite des Hofes lag in einer Kammer die Destille, bestehend aus zwei großen Kupferbehältern, die an ihren Oberseiten durch ein spiralförmiges Rohr verbunden waren. In einem Behälter, erklärte uns Marian, erhitzte er überreife Pflaumen und rührte diese zu einer Flüssigkeit. Durch das Rohr stiegen die alkoholischen Dämpfe in den anderen Behälter, in dem sie sich wieder verflüssigten und durch Beimischung von Wasser Țuică ergaben. Es regnete noch immer, und weil die Familie vorschlug, wir sollten bei ihnen übernachten, nahmen wir auf ein Weiteres die Gastfreundschaft der Javeleas an. Zwar wollten wir beim Bau des nebenan stehenden Hauses helfen, jedoch überredete uns Iosefina auszuruhen.

Wir gingen mit Fabia durch das Dorf und kauften bei anderen Dorfbewohnern einige Lebensmittel ein. Bei unserer Rückkehr waren die Söhne weiter vorangekommen mit dem Bau des Hauses, für den sie Holz aus dem nahegelegenen Wald geholt hatten. Inzwischen war aus Cluj Narcisa, eine Freundin der Javeleas, eingetroffen, die Deutsch sprach. Beim Abendessen, das aus Mămăligă, rumänischem Maisbrei mit Schmand, Kartoffeln, Bohnensuppe und Brot bestand, erzählte sie uns von dem tragischen Ereignis, das sich in der Familie Javelea zugetragen hatte.

(c) valentino 2012

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Unterwegs im Lande des Vlad Țepeș | Siebter Teil

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Haus in Transsilvanien

Illustration: Valentino

In einem Dorf trafen wir Gheorghe, der sich als „König der Schnapsbrenner“ ausgab. Tatsächlich brannte er, wie sich nach einer Kostprobe herausstellte, ausgezeichneten Pflaumenschnaps. In kurzer Zeit versammelte sich nahezu die ganze Familie auf dem Hof, was uns zu einem etwas überstürzten Aufbruch nötigte. Nachdem wir eine Flasche des edlen Trunkes ersteigert, das Dorf verlassen und das Zelt aufgebaut hatten, fielen wir dank Țuică in einen tiefen Schlaf, den der Regen bis in die Mittagsstunden des nächsten Tages verlängerte, so dass an eine Weiterfahrt bei dem Wetter nicht zu denken war.

Nachmittags in Bistrița beschrieb uns Lucia auf Englisch den Weg zum Hotel. Wir trafen Lucia, die an der Universität von Năsăud Volkskunde studierte, am folgenden Vormittag an dem großen Glockenturm aus dem 14. Jahrhundert, der zu einer Pfarrkirche gehörte. Im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte der Region Bistrița-Năsăud weckte sie unsere Begeisterung für archäologische Funde, Werkzeuge, Waffen und Schmuck aus vorchristlicher Zeit, traditionelle Einrichtungen, landwirtschaftliche Geräte und Trachten der Siebenbürger Sachsen.

Unser nächstes Ziel hieß Vatra Dornei. Wir näherten uns den Karpaten, dem Gebirge, welches durch Bram Stokers Vampir-Klassiker Berühmtheit erlangt hatte. Allerdings war von den finsteren, unheimlichen Felsformationen nichts zu sehen. Die bewaldeten Vorgebirge der Karpaten machten einen eher friedlichen Eindruck. Auch entdeckten wir weit und breit keine Spur von Vampiren. Zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt, da uns das Tageslicht noch beschützte.

(c) valentino 2012

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