Unterwegs im Lande des Vlad Țepeș | Zweiter Teil

valentino

Borș

Illustration: Valentino

An dem Ort, an dem wir im Jahr zuvor den Entschluss gefasst hatten, begann die Reise. In Budapest machten mein Begleiter und ich uns sogleich daran, die Reifen unserer Fahrräder aufzupumpen. Wir luden das Gepäck, welches aus dem Notwendigsten bestand, auf die Räder: Fahrradtaschen, ein leichtes Zelt, Schlafsäcke und Isoliermatten. In der ungarischen Puszta nächtigten wir auf einem Campingplatz am See.

Trotz Hitze kamen wir tags darauf gut voran und vermuteten uns, fern von Zuhause, am Beginn einer vielversprechenden Reise. Allerdings befanden wir uns zu dieser Zeit noch auf der Straße nach Debrecen. In dem Ort fand am Abend bei unserer Ankunft eine Parade statt. Die Menschen versammelten sich, wie jedes Jahr am 21. August, zum ungarischen Nationalfeiertag auf den Straßen. Es gab ein Feuerwerk. Rumänien rückte näher und näher. Am folgenden Tag erreichten wir den Grenzort Borș.

Die mit Kalaschnikows bewaffneten rumänischen Grenzsoldaten machten den Eindruck, unsere Einreise in das Land um jeden Preis verhindern zu wollen. Die offensichtliche Kampfbereitschaft der grünen Miliz wirkte sich so stark auf unser Gemüt aus, dass uns jegliche Hoffnung auf einen reibungslosen Grenzübertritt bei ihrem Anblick schwand. Doch bis auf eine intensive Kontrolle unserer Visa gab es keine weiteren Hindernisse. Als der Grenzbeamte uns durchwinkte, setzten wir, erleichtert und zugleich hoch motiviert, mit energischen Pedaltritten unsere Fahrräder in Bewegung. Von nun an begannen wir das Land in uns aufzusaugen. Mit allen Schönheiten, Strapazen und Begegnungen.

(c) valentino 2012

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Unterwegs im Lande des Vlad Țepeș | Erster Teil

valentino

România

Illustration: Valentino

Es war eine Fahrt ins Ungewisse, in ein Land, welches uns nur aus Erzählungen bekannt gewesen war. Rumänien. Zwar verbanden wir mit diesem Namen damals eher wenig, doch bot dieses Land viel an verborgener Vergangenheit: Die Herrschaft des Römischen Reiches, die erbitterten Kämpfe gegen die Heere der Osmanen. Selbst die alten Griechen hatten Anteil an der kulturellen Entwicklung des sich bis zum Schwarzen Meer erstreckenden Landes im Osten Europas. Und nicht zu vergessen, dass es in jüngster Vergangenheit einer fast 30-jährigen Schreckensherrschaft unter dem Diktator Nicolae Ceaușescu trotzte.

Das Land glich einer uneinnehmbaren Festung. Nicht nur ideell, sondern auch geographisch hatte es die Form einer gewaltigen Burg. Die Karpaten schlugen einen riesigen Bogen von Nordwesten her kommend um das transsilvanische Hochland herum nach Südosten und wieder zurück nach Westen. Auf der anderen Seite dieser natürlichen Festungsmauer lag im Süden die flache Walachei und im Osten das hügelige Moldawien. Die Donau mündete in der Dobrudscha in Form eines Deltas in das Schwarze Meer, welches sich durch Aufschwemmung immer weiter in dieses hineinfraß.

Im Jahr zuvor in Budapest hatten wir die Idee bekommen, das „Land des Grafen Dracula“ näher kennen lernen zu wollen. Dass wir uns zu diesem Zweck unserer Fahrräder bedienten, sollte sich im Nachhinein als ein ausgesprochener Vorteil erweisen. Es war für uns die beste Möglichkeit, die Menschen kennen zu lernen und körperliche Anstrengung mit Naturnähe zu verbinden. Tatsächlich sammelten wir aufgrund dieser Fortbewegungsmethode eine Vielzahl an Kontakten und einmaligen Naturerlebnissen.

(c) valentino 2012

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