Heidelberg, den 10. Juli 2022
Betreff: Heidelberger Literaturtage
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
lieber Herr Professor Dr. Würzner,
mit diesem Schreiben möchten wir unsere Sorge um das zukünftige Schicksal der Heidelberger Literaturtage zum Ausdruck bringen. Da die Zeit drängt, bitten wir um Verständnis dafür, dass wir dieses Schreiben zugleich der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Die jetzt gewählte Lösung, die Organisation des Festivals über eine Stabsstelle abzuwickeln, die direkt beim Kulturbürgermeister angesiedelt ist, birgt zwei Gefahren.
Die jetzt gewählte Lösung, die Organisation des Festivals über eine Stabsstelle abzuwickeln, die direkt beim Kulturbürgermeister angesiedelt ist, birgt zwei Gefahren.
Zweitens ist ein haushaltsrechtlicher Interessenskonflikt vorgezeichnet, der juristisch problematisch ist. Kultur- und Literaturpolitik einer Stadt reagiert auf Ideen und fördert Initiativen, die aus der Bürgerschaft einer Stadt an sie herangetragen wird. Anträge auf Zuschüsse konkurrieren miteinander um öffentliche Förderung. Diese Konkurrenz kann fair und sachbezogen nur dann entschieden werden, wenn nicht eine wichtige Exekutivstelle der Stadt selbst Wettbewerber ist. Andernfalls resultiert eine Wettbewerbsverzerrung. Im schlimmsten Fall würde die eine Hand der Exekutive den Budgetantrag ausfertigen und die andere die Bewilligung unterzeichnen. Die Akzeptanz der jetzt ins Auge gefassten Struktur in der vielfältigen Literaturszene Heidelbergs ist gering, ihre Legitimation fragwürdig.
Um aus der verfahrenen Situation herauszukommen, schlagen wir vor, die vorhandenen und in die aktuelle Entscheidungsfindung bislang nicht einbezogenen Gremien der ‚Arbeitsgemeinschaft Neukonzeption Heidelberger Literaturtage‘ und des ‚Künstlerischen Beirats‘ mit der Gründung eines Trägervereins zu beauftragen. Die Ausschaltung der Arbeitsgemeinschaft und des Beirats muss im Sinne einer möglichst breiten Akzeptanz der zu treffenden Entscheidung beendet werden.
Der zu gründende Trägerverein sollte die Stelle einer Intendanz für die Heidelberger Literaturtage öffentlich ausschreiben und nach sachbezogener, ausführlicher Diskussion unter den Bedingungen größtmöglicher Durchsichtigkeit besetzen. Dem jetzt entstandenen Eindruck eines exekutiven Übergriffs wird so wirksam gegengesteuert. Begrüßenswert wäre es, leitete der Kulturbürgermeister oder das Kulturamt die Organisation dieses Findungsprozesses ein. Dieser Prozess sollte autonom, strikt fachlich und ohne politische Einflussnahme vonstatten gehen. Die Literaturtage wären damit auf Dauer besser in der literarischen Szene verankert und die vorgezeichneten Interessenkonflikte behoben.
Wir bitten Sie mit Nachdruck, die aktuelle Position der Stadtverwaltung in dieser Angelegenheit noch einmal zu überdenken. Für Gespräche stehen wir jederzeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Jakob Burgi, Patrizia Hinz & Celina Klein · Mitglieder des Ping Literaturkollektivs
Dr. Lothar Seidler & Veronika Haas · Literaturherbst Heidelberg
Bettina Heuer · Buchhandlung WortReich
Regina Keil-Sagawe & Helga Pfetsch · Sprecherinnen der Heidelberger Übersetzerinnen und Übersetzer
Ulrike Kemna · Mitglied des Künstlerischen Beirats „Literaturtage Heidelberg“
Prof. Dr. Roland Reuß · Literaturwissenschaftler, Autor
Henning Schönenberger (belmonte) · Co-Sprecher der Heidelberger Autorinnen und Autoren
Regina Wehrle · Mattes Verlag
Christian Weiß · Verleger