In Vorbereitung zu meinem Kamina-Online-Workshop über Metrik am 22. Januar 2021 stelle ich hier an zwei Beispielen den Ersten Belmontiner vor, eine Strophen- und Liedform, die ich vor ein paar Jahren während der Arbeit an meinem Versepos Junas Lob entwickelt habe.
1.
erblendete das morgenlicht mein schauen
nach aufgewühlter nachtin
erhebt die sonne sich gewohnter pracht in
schon bin ich wieder in mich selbst gedrungen
wo sich nichts rührt das mich vermochte zu bewahrn
weiß ich zurück zu schauen auf die zeiten jungen
wie hat seit hin mein bild sich von mir selbst zerfahrn
wann zähl nich mer nach tagen sondern jahren
kein schlaf wird meiner wacht in
der ích schon längst vergessen hab was je gedachtin
2.
nam klirrend starres kalt mich in beschlac
verdeckte meine sinne
ich wurde außerhalben nich mer inne
dem sinn auf anbeginnen abgeschworen
erfroren waren als was bitterer klang
vor zeiten mir in dunkel die amoren
wärs nichts gewesen als ein früher hang
zur neige alles große einst enfangen
auf erden sein bin ich nich mer gewinn
kommt alles darauf zu dass ich zu ende bin
Der Erste Belmontiner ist eine Ballata-Form mit 3-versiger Ripresa (A B B), 4-versiger Stanze (C D C D) und abschließender Ripresa (D B B).
Die Schöpfung von Lied- und Strophenformen und deren Variationen wird nach meinem Dafürhalten von der zeitgenössischen Dichtung leider sehr vernachlässigt. Dabei lässt sich hier sogar eine Art Metakreativität erreichen.
Allerdings werden Strophenformen nicht wirklich neu erschaffen, sondern vielmehr entdeckt, zumindest wiederentdeckt und im besten Falle aus dem vorhandenen, historischen und aktuellen Sprachmaterial wie aus Wasser geschöpft oder aus Stein herausgemeißelt.
Die beiden Lieder erblendete das morgenlicht mein schauen und nam klirrend starres kalt mich in beschlac finden sich im Kapitel Junas Bitternis im Versepos Junas Lob, Brot & Kunst Verlag, Neustadt/Weinstraße 2018.
(c) belmonte 2020