valentino
Südmexiko, um das Jahr 1910. Die indigene Bevölkerung ist entrechtet und unterdrückt. Als Knechte dienen sie ihren Herren, als Schuldknechte fällen sie Caoba, amerikanisches Mahagoni – in Lagern im Dschungel unter Aufsicht sadistischer Wächter. Das Holz wird in die Industrienationen der Welt exportiert. Die Entrechteten begehren auf, befreien sich, bilden eine Revolutionsarmee und stürzen das Regime des Diktators „El Caudillo“. Davon handelt, grob erzählt, der sechsteilige Romanzyklus, der zuerst in den 30er Jahren erschien.
Angeregt durch die Lektüre von „Die Rebellion der Gehenkten“ – das wohl bekannteste Buch des Zyklus – erwarb ich nach und nach die restlichen Bände antiquarisch und las den Zyklus in umgekehrter Reihenfolge. Das machte aber nichts – die einzelnen Bände sind jeweils abgeschlossen komponiert. Zusammen bilden sie ein durchaus episches Werk, von dem man sprachlich allerdings nicht zu viel erwarten sollte.
Nicht alle Textpassagen sind eingängig zu lesen. Im dritten Buch „Der Marsch ins Reich der Caoba“ zum Beispiel braucht man eine Weile, um der Handlung folgen zu können. Die erste Hälfte ist verschachtelt, Geschichten und Sequenzen, die vor der Haupthandlung spielen, wirken eingeschoben und sind nicht wirklich zu einem einheitlichen Text verwoben. In der zweiten Hälfte jedoch fließen alle Seitenarme in den großen Fluss: In „Trozas“ schließlich taucht der Leser ein in die Welt der Holzfäller – die stimmungsvollste und eingängigste der Erzählungen.
Entwicklungsroman ist anders. Travens Figuren handeln als Teile eines perfiden Systems, das sie selbst nicht durchschauen. Die Werber, Treiber und Aufseher sind auf ihren Profit aus, die Indianer wollen unabhängig sein. Die Lebenswirklichkeit ist jedoch hart – es geht ums Überleben –, da bleibt keine Zeit, sich persönlich zu entwickeln. Die Hauptfiguren stehen exemplarisch für den Typus ihrer jeweiligen Gruppe: Andres als Fuhrknecht in „Carreta“, Vicente als Ochsentreiber in „Trozas“, Celso und Candido als Holzfäller in „Marsch“ beziehungsweise „Rebellion“ – jeder ist in seiner Lage gefangen.
Um sich zu befreien, sagt Traven, sollen sich die Unterdrückten in einer Gruppe zusammenschließen. Nur so könnten sie ihre Interessen, Erde und Freiheit, durchsetzen. Wie weit jedoch der Weg zur Freiheit sein kann, das zeigt eine Szene im letzten Teil: Einige Rebellen werfen Gemälde und ein Klavier zusammen mit Möbeln als Brennholz ins Feuer, weil sie niemals den Umgang mit Kunst und Kultur gelernt haben („Ein General kommt aus dem Dschungel“ 1983: 69). Nach Traven sei die Freiheit des Arbeiters gegenüber der Gefangenschaft des Leibeigenen keine wahre Freiheit, solange der Arbeiter nichts mit ihr anfangen kann, sprich: wenn er unorganisiert – oder eben ungebildet bleibt.
Travens Sprache ist prosaisch, unverstellt. Einerseits trifft sie den derben Umgangston der Proletarier. Das gibt dem Leser das Gefühl, nah an dem Geschehen dran zu sein. Andererseits wahrt der Autor als nüchterner Beobachter der gesellschaftlichen Zusammenhänge die Distanz. Bei allem Lokalkolorit schildert er die Handlung so, als könne sie sich in ähnlicher Form jederzeit und überall auf der Welt abspielen: Ob moderne Sklaverei, Kinderarbeit, Zwangsprostitution – Zwangsarbeit gibt es weltweit noch immer. In dieser Hinsicht lesen sich die Romane zeitlos.
In allen Teilen, besonders aber ab der zweiten Hälfte des Zyklus (also in den letzten drei Bänden), setzt Traven als Stilmittel die Parodie ein – nicht zuletzt ein Grund dafür, dass diese Literatur eine Perle ist. Wer Abenteuerromane mit einer differenzierten, zuweilen spöttischen Gesellschafts- und Zivilisationskritik mag, ist mit dem Caoba-Zyklus sowieso bestens bedient.
All jenen, die an der Identität des Schriftstellers B. Traven interessiert sind, sei abschließend Jan-Christoph Hauschilds Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen empfohlen.
(c) valentino 2014
Caoba-Zyklus:
Die Carreta
Regierung
Der Marsch ins Reich der Caoba
Trozas
Die Rebellion der Gehenkten
Ein General kommt aus dem Dschungel