Zwei ritten nach Texas – Stan und Ollie mischen den Wilden Westen auf (Filmrezension)

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Way out West

Erneut ein Gastbeitrag von Volker von „Die Nacht der lebenden Texte“.

Westernkomödie // Die Popularität von Stan Laurel und Oliver Hardy in Deutschland nahm bereits in den 1920er-Jahren ihren Lauf und überdauerte nach dem Ende der Weimarer Republik auch das sogenannte Dritte Reich. Der 1937 entstandene „Zwei ritten nach Texas“ kam allerdings erst 1965 bei uns in die Kinos und löste einen neuen Stan-und-Ollie-Boom aus.

Tipp für Anhalter: Den Daumen raus aus der Faust!

Man kann aber auch nicht erwarten, dass die Kutsche stoppt, wenn man als Anhalter vergisst, den Daumen aus der Faust zu nehmen. Bei der nächsten Kutsche denkt Stan zwar dran, sie hält aber erst für ihn und Kumpel Ollie an, als er auch noch sein sexy Bein entblößt. Das Bein ist eine schöne Hommage an Frank Capras „Es geschah in einer Nacht“ („It Happened One Night“, 1934) mit Clark Gable, in dem Claudette Colbert ihres entblößte, um als Anhalterin ein Fahrzeug zum Stehen zu bringen.

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Wo bitte geht’s nach Brushwood Gulch?

Kaum in Brushwood Gulch angekommen, legen sich die beiden Melonenträger sogleich mit dem Ehemann (Stanley Fields) einer Dame (Vivien Oakland) an, die sie in der Postkutsche belästigt hatten. Der bedeutet den beiden, sie mögen den Ort mit der nächsten Kutsche verlassen, sofern sie ihn nicht im Leichenwagen verlassen wollen. Später stellt sich heraus: Es ist der Sheriff von Brushwood Gulch.

Stan und Ollie hat’s in den Wilden Westen verschlagen, weil sie der jungen Mary Roberts (Rosina Lawrence) vom Tod ihres Vaters berichten müssen, ihr aber immerhin die Besitzurkunde der ihr vererbten Goldmine übergeben wollen. Dummerweise jubelt ihnen Marys Vormund, der zwielichtige Saloonbesitzer Mickey Finn (James Finlayson), seine Bardame Lola (Sharon Lynn) als Mary Roberts unter. Als die beiden ehrenwerten, aber naiven Erbschaftsüberbringer den Betrug bemerken, setzen sie alles daran, der echten Mary zu ihrer Goldmine zu verhelfen.

Auftritt James Finlayson

James Finlayson! Dieser großartigste aller Laurel-und-Hardy-Gegenspieler ist immer wieder schön anzuschauen. Sein stierer Blick, wenn Stan oder Ollie mal wieder etwas Groteskes gesagt oder getan haben – unerreicht. Ohnehin sind er als Saloonbesitzer und Stanley Fields als grober Sheriff feine Parodien auf archetypische Westernfiguren.

Musik ist Trumpf

Drei Musikstücke prägen den Film zusätzlich: Da ist einmal die Gesangseinlage „At the Ball, That’s All“ der „The Avalon Boys“ vor dem Saloon unmittelbar nach der Ankunft von Stan und Ollie, die die beiden zu ihrer berühmten Tanzdarbietung animiert. Zum anderen singen sie später selbst „Trail of the Lonesome Pine“, wobei Stan plötzlich für ein paar Zeilen in einem sonoren Bass intoniert, der ihm in der Tonspur in den Mund synchronisiert worden ist. Ollie gefällt das gar nicht, und er ordert beim Wirt einen Holzhammer, dessen Hieb über den Kopf bei Stan allerdings bewirkt, dass er plötzlich mit der lieblichen Stimme von Rosina Lawrence singt. Welche Komiker (neudeutsch: Comedians) kämen heute noch auf solche Ideen?

Happy End mit Bad im Fluss

Am Ende des Films schließlich ziehen Stan, Ollie und Mary nach erfolgreicher Zurückeroberung der Goldmine von dannen und singen gemeinsam „We’re Going to See My Home in Dixie“ – ein schönes und für Laurel und Hardy seltenes Happy End, wenn auch für Ollie nur bedingt: Zum wiederholten Mal nimmt er bei der Querung eines Flüsschens aufgrund einer Untiefe ein unfreiwilliges Bad.

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Ab in die Kutsche mit dem Dicken!

Wenn ich mir die gemeinsame Filmografie von Stan Laurel und Oliver Hardy anschaue, stelle ich fest, wie viele Perlen noch unentdeckt meiner Sichtung harren. Dennoch kann ich auch so konstatieren, dass die Westernparodie „Zwei ritten nach Texas“ zu den besten Filmen der beiden gehört – ganz sicher in den Top 10, wenn nicht in den Top 5 oder Top 3. Ganz vorn wird es irgendwann Geschmackssache, aber wer den beiden mit ihrem mal brachialen, mal hintersinnigen Slapstick etwas abgewinnen kann, muss den Film gesehen haben und wird ihn lieben.

Menschliche Wärme

Wie sich Stan und Ollie in ihrer Tollpatschigkeit und Arglosigkeit in der rauen Männerwelt eines Wildwestkaffs behaupten, das sprüht vor Witz, der auch heute noch famos funktioniert. Ihre Unterstützung der unschuldigen Mary bringt zudem eine Herzenswärme ins Spiel, die auf wunderbare Weise unterstreicht, dass Laurel und Hardy unter all dem gegenseitigen Piesacken Werte von Freundschaft und Güte vermitteln. Merk’s dir, Finlayson!

Dank Studiocanal Home Entertainment, vormals Kinowelt, gibt es hierzulande keine Probleme, sich mit Laurel-und-Hardy-Stoff in stattlicher Zahl einzudecken. „Zwei ritten nach Texas“ ist als Teil der 10-DVD-Box „Dick & Doof Collection 3“ erhältlich, zudem auch als Einzel-DVD inklusive zweier Kurzfilme im Bonusmaterial. Bei der deutschen Tonspur handelt es sich meines Wissens nach um die vierte Synchronfassung. Ob als Box oder einzeln – eine schöne Veröffentlichung in anständiger Bildqualität.

Mehr über das Komiker-Duo

Als Autor bei „35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin“ erlaube ich mir einen Hinweis: Die Titelgeschichte von Ausgabe #10 des Magazins handelt von US-Filmkomikern, und ein Beitrag über Laurel und Hardy stammt von mir. Für alle, die sich näher mit dem Duo und ihren Kollegen wie Charlie Chaplin, Buster Keaton, Harold Lloyd, den Marx Brothers & Co. befassen wollen: Die Ausgabe kann hier bestellt werden – unter dem Link findet Ihr auch den Inhalt.

Veröffentlichung: 17. Juni 2010 als DVD, 16. Oktober 2009 in der 10-DVD-Box „Dick & Doof Collection 3“

Länge: 62 Min.
Altersfreigabe Einzel-DVD: FSK 6
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Way out West
Alternativer deutscher Titel: Dick und Doof im Wilden Westen
USA 1937
Regie: James Horne
Drehbuch: Charley Rogers, Felix Adler, James Parrott
Besetzung: Stan Laurel, Oliver Hardy, James Finlayson, Sharon Lynn, Rosina Lawrence, James Fields, Vivien Oakland
Zusatzmaterial: Kurzfilme „Putting Pants on Philip“ aus der Serie „Zwei Herren Dick und Doof“ in deutscher Fassung und „Ein brutaler Hosenkauf“, Ausschnitte aus „Ein Dankeschön an die Jungs“, Fotogalerie, Trailer, Wendecover
Vertrieb: Studiocanal Home Entertainment

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Copyright 2015 by Volker Schönenberger
Fotos & Packshots: © 2009/2010 Studiocanal Home Entertainment