Private Parts – Über den Superstar der Radio-DJs (Filmrezension)

Private Parts

Nächster Gastbeitrag von Volker Schönenberger, Betreiber unseres Partner-Blogs „Die Nacht der lebenden Texte“.

Komödie // Ich möchte wissen, was er als Nächstes sagt. So begründen bei einer Umfrage unter Radiohörern die Fans von Howard Stern, weshalb sie dem kontroversen Moderator eine Stunde und 20 Minuten die Treue halten, obwohl der durchschnittliche Radiohörer allgemein lediglich schlappe 18 Minuten bei der Stange bleibt. Überraschenderweise übertreffen die Howard-Stern-Hasser diesen Wert deutlich – sie hören ihm satte zweieinhalb Stunden am Tag zu. Ihre häufigste Begründung: Ich möchte wissen, was er als Nächstes sagt.

Vom linkischen Anfänger zum …

Der 1954 im New Yorker Stadtteil Queens geborene Howard Stern spielt sich in 1997er-Biopic von Betty Thomas („Dr. Dolittle“) selbst. Der Filmtitel wartet mit einer schönen Doppeldeutigkeit auf: Zum einen ist „Private Parts“ ein Euphemismus der prüden Amerikaner und Engländer für die Geschlechtsteile der Menschen, zum anderen hat Howard Stern im Lauf seiner Karriere als Radio-DJ und -Moderator nie davor zurückgeschreckt, höchst private Details seines Lebens über den Äther zu verbreiten. Der Film beruht auf Sterns gleichnamiger Autobiografie.

Ein Kindheitstraum erfüllt sich

Nach einem Einstieg aus der Zeit des schon landesweit bekannten Unruhestifters Howard Stern springt „Private Parts“ weit zurück bis in die Kindheit. Als erzählerische Klammer fungiert ein Flug, bei dem sich die schöne Gloria (Carol Alt) widerwillig neben den berüchtigten Moderator setzt und er ihr daraufhin seine Lebensgeschichte erzählt: Sein missmutiger Vater (Richard Portnow) lässt am kleinen Howard (Bobby Boriello) kein gutes Haar. Vater-und-Sohn-Unternehmungen beschränken sich darauf, dass der Junge einmal im Jahr zu dem Radiosender mitkommt, bei dem sein alter Herr arbeitet. Die Art und Weise, wie Daddy den renitenten Radio-DJ Symphony Sid (Richard B. Shull) zurechtweist, beeindruckt Howard so sehr, dass er von da an den Traum hat, beim Radio zu arbeiten. Nach kurzen Impressionen des zwölfjährigen (Michael Maccarone) und des 16-jährigen Howard (Matthew Friedman) übernimmt der echte Howard Stern ab der Zeit an der Universität von Boston selbst. Aus dem Off kommentiert er: Okay, ich weiß, was Sie sagen. Sie sagen, ich seh’ ein bisschen alt aus für’n Studenten. Aber für diesen Film müssen Sie Ihre Skepsis einfach mal vergessen. Ein schönes Durchbrechen der vierten Wand.

… Superstar der Radiomoderatoren: Howard Stern

Als College-Student versucht er so hartnäckig wie vergeblich, beim weiblichen Geschlecht zu landen. Mit Schnauzbart, schräger Lockenfrisur und überdimensionaler Brille fällt ihm das allerdings schwer – bis er Alison (Mary McCormack) trifft, in die er sich stehenden Fußes verliebt. Seine Anfänge beim Collegeradio gestalten sich holprig, da er sich eher unbeholfen und nervös gebärdet. Im Mai 1977 beginnt Howard aber endlich seine professionelle Laufbahn als Radio-Discjockey beim Sender WRNW (heute WXPK) in Briarcliff Manor, einem Vorort von New York City (Wikipedia datiert Sterns Karrierestart allerdings auf 1976). Nach einiger Zeit wechselt er zum Sender WCCC in Hartford, Connecticut, wo er sich mit seinem Kollegen Fred Norris (spielt sich ebenfalls selbst) anfreundet, den er später zu einen anderen Arbeitgeber nachholen wird.

Keine Lust auf Countrymusik

Das Biopic arbeitet die Stationen seiner Laufbahn wohl einigermaßen akkurat ab. Das klingt nicht unbedingt mitreißend. Mitreißend gestaltet es sich aber, wie Howard nach und nach seinen anarchischen Humor entwickelt und sich am Mikrofon zum einen von spontanen Einfällen leiten lässt, zum anderen bizarre Einlagen ausarbeitet. Nachdem er bei einem Detroiter Sender gekündigt hat, weil der sein Programm in Richtung Countrymusik ausrichtete, kommt ihm der Geistesblitz: Ich sollte über mein Privatleben reden, ich muss jetzt intim werden. Und jedes Mal, wenn ich das Gefühl habe, ich sollte etwas nicht sagen, sollte ich es vielleicht gerade sagen. Damit rausplatzen, verstehst du? Das setzt er bei seiner nächsten Station WWDC um, wo er auf die Nachrichtensprecherin Robin Quivers (auch sie spielt sich selbst) trifft, mit der er sich fortan die bizarren Bälle zuspielt. Als seine dortige Chefin Dee Dee ist die spätere Oscar-Preisträgerin Alison Janney („I, Tonya“) zu sehen.

Howards große Liebe: Alison

Howard scheut sich nicht, Wörter wie „Penis“ und „Hoden“ ins Mikrofon zu sprechen. Mal behauptet er, in Vietnam Kinder mit einer Handgranate getötet zu haben (obwohl er für den Vietnamkrieg viel zu jung ist); mal verpasst er einer Hörerin einen Orgasmus, indem er sie verleitet, sich auf ihren Lautsprecher zu setzen, woraufhin er tiefe Basstöne ins Mikrofon brummt, die ihre Tieftöner zum Vibrieren bringen. Howard thematisiert in der Sendung sogar die Fehlgeburt, die seine Ehefrau Alison erlitten hat. Das missfällt ihr erwartungsgemäß ein wenig.

Ein paar Obszönitäten gehören dazu

Ein Biopic über einen Radiomoderator – klingt nicht ausgesprochen fesselnd. Kann das als Film funktionieren? Lasst euch versichern: Es kann! Aber zugegeben: Mit Anzüglichkeiten und Körperflüssigkeits-Gags sollte man umgehen können. „Private Parts“ ist schreiend komisch und bis in Nebenrollen famos besetzt. Als Programmdirektor Kenny „Pig Vomit“ Rushton beim Sender WNBC in New York City ist Paul Giamatti („Die Truman Show“) zu sehen. Rushton versichert den Bossen des Radiosenders, den hemmungslosen Moderator zu zähmen, beißt sich daran aber die Zähne aus.

Mit Kenny „Pig Vomit“ Rushton (r.) liefert er sich erbitterte Scharmützel

Heavy-Rock-Fans sollten von Anfang an aufmerksam sein, da einige echte Helden durchs Bild wandern. So faucht ihn Dee Snider von Twisted Sister kurz an, und von Ozzy Osbourne bekommt Stern ein Was für’n verdammtes Arschloch! (im Original: „What a fucking jerk!“) um die Ohren geraunzt. Das sagt der Richtige, möchte man meinen. Da Howard Stern ein ausgewiesener Fan von Rockmusik und speziell auch harter Rockmusik ist, ist sein Biopic passend dazu mit den richtigen Klängen versehen. Bis am Ende sogar AC/DC aufspielen.

Superstar und Multimillionär

Seit 2006 ist Howard Stern bei einem digitalen Satellitenradio-Sender beschäftigt, da er dort vor Zensurbestrebungen der Aufsichtsbehörde Federal Communications Commission weitgehend sicher agieren kann. Das üppige Salär wird ebenfalls eine Rolle gespielt haben – dem Vernehmen nach ist er Multimillionär. „Private Parts“ erzählt die Geschichte, wie es dazu kam. Unbedingt sehenswert!

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Allison Janney und Mary McCormack sind dort in der Rubrik Schauspielerinnen aufgelistet, Filme mit Paul Giamatti unter Schauspieler.

Howard und sein Team in ihrem Element

Veröffentlichung: 5. November 2020 als Blu-ray, 10. April 2003 als DVD

Länge: 109 Min. (Blu-ray), 105 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Französisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch
Originaltitel: Private Parts
USA 1997
Regie: Betty Thomas
Drehbuch: Len Blum, Michael Kalesniko, nach einer Vorlage von Howard Stern
Besetzung: Howard Stern, Mary McCormack, Robin Quivers, Fred Norris, Paul Giamatti, Allison Janney, Gary Dell’Abate, Jackie Martling, Carol Alt, Richard Portnow, Kelly Bishop, Henry Goodman, Michael Murphy, John Stamos, Flavor Flav, Jenna Jameson, M. C. Hammer, Ted Nugent, Ozzy Osbourne, John Popper, Slash, Dee Snider, David Letterman, AC/DC (Brian Johnson, Angus Young, Malcolm Young, Phil Rudd, Cliff Williams), Iggy Pop
Zusatzmaterial: keins
Label: Paramount Pictures
Vertrieb: Universal Pictures Germany GmbH

Copyright 2020 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & unterer Packshot: © 2020 Paramount Pictures

2 Gedanken zu “Private Parts – Über den Superstar der Radio-DJs (Filmrezension)

  1. Echt lustiger Film, hab ihn mir letztens angeschaut mit meiner Freundin. Kann ganz klar empfehlt werden, ist auf jeden fall sehr unterhaltsam 😀
    Beste Grüße

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