Die letzte Sau – Kleinbauer begehrt auf (Filmrezension)

Die letzte Sau

Erneut ein Gastbeitrag von Volker von „Die Nacht der lebenden Texte“.

Tragikomödie // Der Traktor streikt, der Boiler ebenfalls, die Schubkarre hat einen Platten, und sogar die Schaufel fällt auseinander – der Schweinehof von Kleinbauer Huber (Golo Euler) ist marode. Die Konkurrenz der großen Agrarbetriebe macht dem Landwirt zu schaffen. Zwar offenbart ihm Birgit (Rosalie Thomass), Tochter des ansässigen Großbauern, deutlich ihre Gefühle, aber der mundfaule Huber kann sich einfach nicht überwinden. Überschuldet ist er auch noch: Bei der Bank muss der Landwirt einer Umschuldung zu hohen Zinsen zustimmen.

Meteroriteneinschlag zerstört Bauernhof

Nachdem er einem Banküberfall mit tragischem Ausgang und der folgenden Beerdigung beiwohnen musste, kommt es für Huber ganz dicke: Ein Meteorit schlägt in seinem Hof ein und zerstört sein Hab und Gut. Ihm bleibt lediglich seine letzte Sau. Nun hält ihn nichts mehr. Er packt die Sau und zieht mit ihr fortan als Vagabund in seinem Seitenwagen durchs Land. Huber wird zum Rebellen, der gegen die Obrigkeit und industrialisierte Viehzucht aufgebehrt. Hier lässt er die Schweine eines vollbeladenen Viehtransporters frei, dort laufen bald Kühe frei über die Straße. Auf seinem Trip trifft Huber andere Menschen, die ebenfalls vor dem Nichts stehen.

Birgit macht Bauer Huber schöne Augen

Kapitalismuskritik in Form eines etwas grotesken Landwirtschaftskomödien-Roadmovies – mal was anderes. Regisseur Aron Lehmann wagte sich 2012 mit „Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel“ bereits an eine interessante Reflexion über Heinrich von Kleists „Michael Kohlhaas“-Novelle, in der es ebenfalls um das Aufbegehren eines Mannes gegen die Mächtigen geht. 2015 inszenierte Lehmann mit „Highway to Hellas“ einen Kommentar zur Griechenland-Krise. Die Auswüchse unseres modernen Wirtschaftssystems liegen ihm offenbar am Herzen.

Ein Meteoriteneinschlag gibt Hubers Hof den Rest

Lehrreich ist das Ganze obendrein: Oder wusstet Ihr, dass es den Berufsstand des Wanderimkers gibt? Hubers Begegnung mit einem solchen Wanderimker (Thorsten Merten) bringt eine von vielen Sequenzen voller Situationskomik, wenn Huber und der Imker einem Bauer auf den Pelz rücken, von ihm mit dem Traktor verjagt werden und sich durch die Grillparty einiger reicher Schnösel in den See retten, um sich vom fies juckenden Düngemittel reinzuwaschen.

Ton Steine Scherben

Es wird übrigens mächtig geschwäbelt, was nicht mal alle handelnden Figuren so richtig verstehen. In einer Nebenrolle als Revoluzzer hat Christoph Maria „Stromberg“ Herbst einen klitzekleinen Auftritt – allerdings im Dunkeln, man erkennt ihn in erster Linie an seiner Stimme. Als Sprecher ist Herbert Knaup zu hören. Und nicht erst wenn „Ton Steine Scherben“ erst erklingen und dann auch zu sehen sind, wissen wir, welche politische Botschaft Aron Lehmann verbreiten will.

Systemkritik und sympathische Verlierer

„Die letzte Sau“ ist mit dem Herz auf dem rechten Fleck gedreht worden, da sehen wir über ein paar inszenatorische Mängel bei Tempo und Storytelling gern hinweg. Verlierergeschichten sind manchmal eben doch sympathischer als Gewinnerstorys – erst recht, wenn es sich bei den Verlierern um kleine Leute handelt, die aufbegehren, auch wenn sie sich dabei etwas trottelig anstellen und irgendwie auch an sich selbst scheitern. Wenn sich für Huber ganz am Ende doch noch einiges zum Guten wendet, stellt sich nach einigen grotesken Situationen immerhin ein gewisser Wohlfühlfaktor ein. Und mal ehrlich: Sind wir nicht alle bisweilen von unserem System überfordert?

Der Landwirt schnappt sich die letzte Sau und begehrt auf

Veröffentlichung: 9. Juni 2017 als DVD

Länge: 83 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Hörfilmfassung für sehbehinderte Menschen
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte, Englisch
Originaltitel: Die letzte Sau
D 2016
Regie: Aron Lehmann
Drehbuch: Stephan Irmscher, Aron Lehmann
Besetzung: Golo Euler, Emma Bading, Heinz-Josef Braun, Eckhard Greiner, Christoph Maria Herbst,Thorsten Merten, Arnd Schimkat, Rosalie Thomass, Daniel Zillmann
Zusatzmaterial: Trailershow
Vertrieb: Indigo

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