Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe – Dabei will er doch nach Australien! (Filmrezension)

Support Your Local Sheriff!

Von Volker Schönenberger, Betreiber unseres Partner-Blogs „Die Nacht der lebenden Texte

Westernkomödie // Immer wieder gern gesehen: Jack Elam (1920–2003). Sein schiefer Blick resultierte daraus, dass er als Zwölfjähriger einen Bleistift ins Auge gestochen bekam. Das verstärkte sein markantes Aussehen, was ihn als Sonderling und Schurke prädestinierte – ein Rollenbild, das er in etlichen Western unter großen Regisseuren gern annahm. So war er in Robert Aldrichs „Vera Cruz“ (1954) an der Seite von Gary Cooper, Burt Lancaster, Ernest Borgnine und Charles Bronson zu sehen. Mit John Wayne spielte er in „Die Comancheros“ (1961) unter der Regie von Michael Curtiz, mit James Stewart unter anderem in „Rancho River“ (1966) und mit Kirk Douglas, Robert Mitchum und Richard Widmark in „Der Weg nach Westen“ (1967), beide inszeniert von Andrew V. McLaglen. Ohne Nennung im Abspann blieb Elam in Fred Zinnemanns „12 Uhr mittags“ (1952) – der Part als Besoffener im Knast war wohl zu kurz. Unvergessen bleibt uns der Gute auch nicht zuletzt aufgrund eines anderen Kurzauftritts: Im Prolog von Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“ (1968) wartet er als Revolverschwinger mit zwei Spießgesellen auf einen Zug und vertreibt sich die Zeit damit, eine lästige Fliege zu beobachten und schließlich mit dem Lauf seiner Pistole zu fangen. Unmittelbar nach Eintreffen des Zuges beendet eine Kugel aus dem Revolver von Charles Bronsons „Harmonica“ sein Dasein.

Jack Elam durchbricht die vierte Wand

In „Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe“ (1969) spielt Jack Elam den leicht vertrottelten Jake, der sich im Lauf der Zeit zur treuen Seele und zum Helfer der von James Garner verkörperten Titelfigur Jason McCullough mausert. In der letzten Szene des Films durchbricht Jake mit in die Kamera gerichtetem Blick sogar die vierte Wand, um dem Publikum zu berichten, was aus Sheriff McCullough, Prudy Perkins (Joan Hackett) und ihm selbst geworden ist. Da es sich um eine Westernkomödie handelt, bekommt das Publikum ein schönes Happy End geboten. Den Spoiler verzeihe man mir, man kann es sich von Anfang an denken.

Prudy Perkins geht keiner Schlammschlacht aus dem Weg

Jason McCullough will nach Australien auswandern. Jedenfalls wird er nicht müde, das zu behaupten. Weil ihm dafür das nötige Kleingeld fehlt, will er in Colorado Gold schürfen. Im Örtchen Calendar geht es drunter und drüber, wie das zu Zeiten des Goldrausches nun mal ist. Das Sagen hat die übel beleumdete Familie Danby. Pa Danby (Walter Brennan) kontrolliert die Frachtrouten nach außerhalb. Sohnemann Joe (Bruce Dern) beweist den miesen Ruf der Danbys, indem er im Saloon eiskalt einen Mann niederschießt. Das verlanlasst den just eingetroffenen McCullough zu der Bemerkung, es sei Mord gewesen. Spricht’s und zieht von dannen, den verdutzten Joe Danby ratlos zurücklassend.

Sheriffposten statt Goldsuche

Die Inflation nimmt in Calendar enorme Ausmaße an, was McCulloughs Absichten zuwiderläuft. Daher sagt er zu, den Posten des Sheriffs zu übernehmen, den ihm der Bürgermeister Olly Perkins (Harry Morgan) und die Stadträte Henry Jackson (Henry Jones) und Fred Johnson (Walter Burke) nachdrücklich anbieten. Seine erste Amtshandlung besteht darin, eine handfeste Massenkeilerei auf der schlammigen Hauptstraße von Calendar aufzulösen. Daran beteiligt ist auch des Bürgermeisters aufbrausende Tochter Prudy, der er kurz darauf erneut begegnet: Ihr Vater gewährt dem neuen Sheriff Kost und Logis. Weil Dorftrottel Jake gerade in der Nähe herumsteht, verpflichtet er ihn kurzerhand als Hilfssheriff. Zu Jakes Entsetzen muss dieser seinem neuen Chef sogleich dabei helfen, Joe Danby zu verhaften. Das gelingt ganz ohne Blutvergießen, aber im just neu errichteten Gefängnis von Calendar erlebt Sheriff McCullough eine Überraschung: Die Gitter wurden noch nicht geliefert.

Die Delle im Sheriffstern

„Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe“ strotzt vor brüllend komischen Einfällen. So dient es als Running Gag, wie es dem Sheriff immer wieder gelingt, den im gitterlosen Knast einsitzenden Joe Danby an der Flucht zu hindern. Eine andere schöne Pointe: Kurz nach seiner Ernennung hatte sich McCullough aus einer Sammlung ramponierter Sheriffsterne einen ausgesucht, der eine Delle von einer Revolverkugel aufweist. Auf seinen Kommentar, der Stern habe seinem Träger wohl das Leben gerettet, bekommt er zu hören: Das hätte er wohl, wären die Kugeln in dem Moment nicht von allen Seiten gekommen. Köstliche Dialoge wie dieser ziehen sich durch „Support Your Local Sheriff“, so der Originaltitel.

Sheriff McCullough bietet Pa Danby die Stirn – und den Finger

Man muss das Westerngenre schon gut kennen und sehr lieben, um es derart liebevoll zu verhohnepiepeln. Beides trifft zweifellos auf Burt Kennedy zu, der in seiner von 1961 bis 2000 währenden Karriere etliche anständige Genrebeiträge inszeniert hat. Er drehte mit namhaften Stars, etwa für „Nebraska“ (1965) mit Henry Fonda und Glenn Ford, „Die Rückkehr der glorreichen Sieben“ (1966) mit Yul Brynner sowie „Die Gewaltigen“ (1967) mit John Wayne und Kirk Douglas. 1971 hatte er für „In einem Sattel mit dem Tod“ (1971) Ernest Borgnine, Christopher Lee, Robert Culp und Raquel Welch vor der Kamera, 1973 für „Dreckiges Gold“ (1973) Rod Taylor und erneut John Wayne.

Walter Brennan parodiert seine eigene Rolle

Kenntnis des Westerngenres belegen auch die Reverenzen, die „Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe“ zwei Genreklassikern erweist. Eine städtische Versammlung erinnert frappierend an eine ebensolche Zusammenkunft im bereits erwähnten Edelwestern „12 Uhr mittags“. Und Walter Brennan spielt Pa Danby als famose Parodie seiner Rolle des Patriarchen „Old Man“ Clanton in John Fords „Faustrecht der Prärie“ (1946) mit Henry Fonda als Wyatt Earp und Victor Mature als Doc Holliday.

Es geht los!

Der Erfolg von „Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe“ an den Kinokassen führte zwei Jahre später zu „Latigo“ (1971), einer Westernkomödie mit ähnlichem Zungenschlag. Das war kein Zufall – in Cast und Crew befanden sich diverse Beteiligte des Vorgängers, beispielsweise Regisseur Burt Kennedy, Hauptdarsteller James Garner und Nebendarsteller Jack Elam. Mir gefällt „Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe“ deutlich besser, was auch damit zusammenhängen mag, dass ich mit diesem Jugenderinnerungen an Fernsehabende im Kreis der Familie verbinde. Großer Unterhaltungswert lässt sich „Latigo“ aber ebenfalls nicht absprechen.

Endlich auf Blu-ray

Da das deutsche Label Black Hill Pictures „Latigo“ bereits 2018 als Blu-ray veröffentlicht hat, hatte ich für „Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe“ mit einer Blu-ray vom selben Publisher gerechnet. Nun ist es Pidax Film geworden – auch gut, da Bild- und Tonqualität in Ordnung sind. Nur die Ausstattung hätte etwas üppiger ausfallen können, nicht einmal Untertitel gibt es. Ein kleiner Wermutstropfen, der sich verschmerzen lässt. Ein Western als Wohlfühlfilm ist gar nicht mal so häufig anzutreffen. Im Falle von „Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe“ ist der Wohlfühlfaktor ausgesprochen hoch. Ein kontrastierendes Double Feature mit einem zynisch-brutalen Italowestern wäre ein interessantes Experiment.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Burt Kennedy sind bei „Die Nacht der lebenden Texte“ in der Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Walter Brennan, Bruce Dern, Jack Elam, James Garner und Harry Morgan unter Schauspieler.

Der Sheriff schnappt sich Prudy

Veröffentlichung: 15. Oktober 2021 als Blu-ray und DVD, 13. Juni 2008 und 30. Oktober 2006 als DVD

Länge: 92 Min. (Blu-ray), 88 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, nur MGM/Fox: Französisch, Spanisch, Italienisch
Untertitel (nur MGM/Fox): Französisch, Niederländisch, Dänisch, Schwedisch, Norwegisch, Finnisch, Rumänisch
Originaltitel: Support Your Local Sheriff!
USA 1969
Regie: Burt Kennedy
Drehbuch: William Bowers
Besetzung: James Garner, Joan Hackett, Walter Brennan, Harry Morgan, Jack Elam, Bruce Dern, Henry Jones, Willis Bouchey, Gene Evans, Walter Burke, Chubby Johnson, Kathleen Freeman
Zusatzmaterial: Bildergalerie
Label 2021: Pidax Film
Vertrieb 2021: Studio Hamburg Enterprises
Label/Vertrieb /2008/2006: MGM / Twentieth Century Fox Home Entertainment

Copyright 2021 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & unterer Packshot: © 2021 Pidax Film