Employees’ Entrance – #metoo im Pre-Code (Filmrezension)

Employees’ Entrance

Erneut eine Rezension eines Autors unseres Partner-Blogs „Die Nacht der lebenden Texte“ – herzlichen Dank an Tonio Klein, der auch für die Print-Publikation „35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin“ schreibt. Der Text enthält ein paar Spoiler.

Drama // Willkommen in der beinharten Geschäftswelt in Zeiten der Krise und in einem brettharten Pre-Code-Knaller, der sich selbst für damalige Verhältnisse weit aus dem Fenster lehnt und doch nicht voyeuristisch ausfällt, sondern knochenehrlich und erfrischend ungeschminkt. Dirty rotten scoundrel „King of Pre-Code“ Warren William („Beauty and the Boss“, 1932) gibt den rücksichtslosen Unternehmer Kurt Anderson, dem der Erfolg recht gibt. Weil dies vermutlich tatsächlich so ist, kann man den Film auch als Kapitalismuskritik lesen. Vielleicht gerade weil er sich der moralischen Bestrafung des Skrupellosen widersetzt. Und bei seinem Kampf schmeißt dieser nicht nur Leute raus (und einmal definitiv in den Ruin sowie einmal in den Freitod), sondern nimmt auch noch alles Weibliche mit, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Die von Loretta Young gespielte Arbeitslose Madeline Walters bekommt er vor den Kussmund und andeutungsweise schon zu Beginn in die Kiste, indem er ihre Not ausnutzt und ihr einen Job gibt. Später ist dann ziemlich deutlich, dass Anderson sie nach der Abblende, in der sie hinreißend schön und ziemlich besoffen in seinem Bett wie hingegossen liegt, „nimmt“.

Von Kurt Anderson zu Harvey Weinstein

Aber unserem Harvey Weinstein der Kaufhausbranche in der Depressionszeit wird es nicht an den Kragen gehen! Der aus heutiger Sicht vielleicht grenzwertige Plot ist gleichwohl zu genießen, verehrt er den Hauptcharakter doch nicht als tollen Hecht, sondern zeigt, dass gegen eine brutale Wirtschaftskrise nur ein noch brutalerer Manager hilft. Damit ist der Film genauso hässlich-zynisch wie vermutlich leider wahr, und er braucht den Vergleich mit so manchem Billy Wilder, wie zum Beispiel „Extrablatt“ (1974), sowie den vorherigen „Front Page“-Verfilmungen nicht zu scheuen. Eine hier nicht zu verratende Chance für die Liebe gibt es gleichwohl, aber auch so rotzfrech-erfrischende Figuren wie Polly Dale (Alice White). Sie wird von Anderson wie eine Prostituierte für das Stellen von Honigfallen bezahlt, wobei sie dessen Widersacher vielleicht mehr als nur umgarnt. White spielt diese Polly schon nach dem Zenit ihrer kurzen, aber heftigen Flapper-Karriere, und auch wenn sie diesmal vielleicht etwas überzieht, ist ihre Figur ein stimmiger Charakter, weiß diese doch genau, was sie tut, und dies macht sie gleichsam effektiv wie irritierend gern.

„Employees’ Entrance“ hat dann noch die Chuzpe, ein paar Anspielungen auf Homosexualität einzubauen. Ein findiger Verkäufer schlägt einmal vor, Damen- neben Herrenartikeln zu platzieren, da Damen für ihre Männer nicht nur Krawatten kauften, sondern auch andere (zum Teil recht intime) Dinge – und dass die Männer dann auch die Damen bei der Unterwäschewahl sehen, wird als willkommener (Verkaufs-)Appetizer angesehen. Ein brüskierter Kollege wird von Anderson nur gefragt: „Don’t you like women?“ Und auch Anderson selbst scheint gelegentlich an dem findigen Verkäufer Martin West (Wallace Ford), den er unter seine Fittiche nimmt, mehr als nur berufliches Interesse zu haben, wird insoweit sogar Konkurrent für Young, die Ford heimlich geheiratet hat – fortan hat er keine Zeit mehr für sie. So werden am Schluss auch nicht Kurt und Polly als seelenverwandte dirty rotten scoundrels zusammenkommen. Pre-Code, wie er sein muss, immer in die Vollen, doch nie selbstzweckhaft.

Der effektive Regie-Handwerker Roy Del Ruth

Dass die Machart nur im besten Sinne konventionell ist, muss man schlucken. Aber was heißt schon „nur“? Roy Del Ruth („Der kleine Gangsterkönig“, 1933) war seinerzeit ein vielbeschäftigter Warner-Auftragsregisseur. Es mag seine Gründe haben, dass er nicht so bekannt wurde wie die damaligen Kollegen Michael Curtiz und Mervyn LeRoy. Aber er liefert effektives Handwerk ab, mit schnörkellosem, hohem Tempo (etwa durch die damals üblichen und heute noch bei „Star Wars“ gebräuchlichen Überblendungen von allen und in alle möglichen Richtungen). Auch die bei hohem Kostendruck sehr effiziente Technik der Montagen funktioniert, in denen zum Beispiel zu Beginn sehr schnell, aber ohne neumodisches Schnittgewitter die Unternehmensgeschichte der vergangenen Jahrzehnte vorgestellt wird. Der übliche Blick auf Zeitungsschlagzeilen unterstreicht den Realismus. Und das Einstreuen von Footage gibt die effektive Illusion von Production Values (der wiederkehrende flucht-/vogelperspektivische Blick auf eine Fabrikationshalle kommt mir aus dem Autofabrik-Streifen „Unser Boss ist eine Lady“ (1933) merkwürdig bekannt vor, aber ich mag mich irren). Zudem gibt es zwar – wie seinerzeit oft – noch keinen durchkomponierten Soundtrack, aber musikalische Leitmotive, beispielsweise „I Found My Million Dollar Baby in a Five and Ten Cent Store“. Eine hübsche Umkehrung der Tatsache, dass hier alle in einem Million Dollar Store zu „billigen“ Personen zu werden drohen.

Fazit: Hard, fast and beautiful. In 75 Minuten Wahrheit, Unterhaltung, Gemeinheit, aber nie Nihilismus. Wem seinerzeitiger MGM-Edelkitsch auf den Zeiger geht, der greife zu diesem Film. Pre-Code vom Derbsten und zugleich Feinsten. Nun braucht’s nur noch eine deutsche Heimkino-Veröffentlichung. Im Zuge der #metoo-Debatte mag ein findiges Label hoffentlich mal auf „Employees’ Entrance“ stoßen.

Veröffentlichung (USA): 30. April 2013 als DVD (Bestandteil der Box „Forbidden Hollywood – Volume 7“)

Länge: 65 Min.
Altersfreigabe: FSK ungeprüft
Sprachfassungen: Englisch
Untertitel: keine Angabe
Originaltitel: Employees’ Entrance
USA 1933
Regie: Roy Del Ruth
Drehbuch: Robert Presnell Sr., nach einem Theaterstück von David Boehm
Besetzung: Warren William, Loretta Young, Wallace Ford, Alice White, Hale Hamilton, Albert Gran, Marjorie Gateson, Ruth Donnelly, Frank Reicher, Charles Sellon
Zusatzmaterial: keine Angabe
Label/Vertrieb: Warner Archive

Copyright 2020 by Tonio Klein
Filmplakat: Fair Use